Dünenverstärkung auf Juist: Kritik von der Insel

Juist, Westende: Arbeit mit schwerem Gerät in Dünen des Nationalparks und Weltnaturerbes

„Dünenverstärkung auf Juist

Drei schwere Sturmfluten haben den ostfriesischen Inseln im Winter 2006/2007 schwer zu schaffen gemacht – von fast allen Inseln wurden Dünenabbrüche gemeldet. Juist war besonders stark betroffen: Die vorhandenen Dünen westlich des Hammersees sind durch die Abbrüche von bis zu 20 Metern teilweise zu schmal geworden, um eine ausreichende Sturmflutsicherheit zu gewährleisten. Deshalb investierte der NLWKN im Jahr 2007 rund 1,3 Millionen Euro, um die Schutzdünen wieder zu verstärken.`Mit insgesamt etwa 200.000 Kubikmeter Sand werden die gefährdeten Dünen verstärkt`, erläutert Projektleiter Theo van Hoorn vom NLWKN in Norden. Später wurde der eingebaute Sand landschaftsgerecht gestaltet – es entstanden natürliche Dünen mit höher aufragenden Dünenkuppen und unterschiedlichen Böschungsneigungen, die im Herbst mit Strandhafer bepflanzt wurden. `Ohne eine Sicherung würde der eingebaute Sand schnell durch den Wind weggeblasen und so die Düne wieder geschwächt`, betont van Hoorn.

Der für die Verstärkung erforderliche Sand stammte vom Billriff, einer ausgedehnten Sandfläche ganz im Westen der Insel. Geländegängige Fahrzeuge, so genannte Dumper, transportierten den Sand vom Billriff zur Baustellen – sie fuhren am Strand entlang! […]“,

schreibt der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz auf seiner WebSeite

Die Inseln in Ostfriesland sind eigentlich dynamische Sandkörper im Wattenmeer, die durch Wind und Wellen ständig ihre Form und Lage ändern, wäre da nicht der Mensch, der hier siedelt und sich eine Infrastruktur geschaffen hat. Also wurden die Inseln festgelegt, die natürliche Dynamik weitgehend unterbunden. Aber auch das führt nach Sturmfluten zu gewaltigen Dünenabbrüchen. Die ostfriesischen Inseln gehören auch zum Großschutzgebiet Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und zum touristisch vermarkteten „Weltnaturerbe“. Und da stoßen sich die Dinge hart im Raum: Durch die ständigen menschlichen Eingriffe mit schwerem Gerät werden die Dünen massiv verändert, von einer „natürlichen Entwicklung“, wie sie eigentlich in einem Nationalpark stattfinden soll, kann kaum noch die Rede sein. Eine wissenschaftliche Überlegung zum möglicherweise kostengünstigeren Inselschutz, der aber in der Praxis nicht durchgeführt werden wird, können Sie hier nachlesen: Senckenberg-Geologe Burghard Flemming plädiert für modifizierten Küstenschutz auf den Ostfriesischen Inseln

Juist: Dumper fahren Dünen ab

Eine besorgte Insulanerin von Juist hat ihre Sicht der Dinge dem Wattenrat übermittelt:

Zur Baumaßnahme des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) Dünenverstärkung auf Juist:
Der Grund, die Steildünen Ende Hammersee binnenseitig zu verstärken, ist schon lange vor der Orkanflut Xaver zur Sprache gekommen.

Es war leider doch etwas Wahres daran, dass nach dem Deichschau auf Juist erzählt wurde, dort keine „Sylter Verhältnisse“ schaffen zu wollen! Aber warum eigentlich nicht? Die 6,7 Millionen teuren Sylter Strandaufspülungen 2014 werden zu 70% aus Bundesmitteln bestritten, 30% bezahlt das Land Schleswig-Holstein. Der Norder Betriebsstellenleiter des NLWKN, Frank Thorenz, rühmt das Land Niedersachsen, für die Küstenschutzmaßnahme auf Juist weitere 600.000 € auszugeben.
Sicher, Juist ist nicht die einzige Ostfriesische Insel, die nach den Stürmen von 2013 Mittel aus dem Landesetat bekommt.
Aber warum bekommen die Ostfriesischen Inseln keine Mittel vom Bund, so wie Sylt? Oder sind diese mit den Mitteln des Rahmenplans „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) bereitgestellten Mittel in Folge des Klimawandels (2009-2025) gemeint? Nein! Es handelt sich dabei um modifizierte Ausfallbürgschaften für Kapitalmarktdarlehen der Länder!

Warum wird auf Juist so wenig für den Aufbau bzw. Erhöhung des Strandes getan?
Es heißt auf der Internetseite des NLWKN zu Dünenverstärkung auf Juist: „Der NLWKN überwacht die Entwicklung der Strände und Dünen mit Hilfe von modernen satellitengestützten Vermessungstechniken und Fernerkundungsverfahren.“ Warum wird dieses Wissen nicht umgesetzt, indem rechtzeitig mit dem Setzen von Windfangzäunen begonnen wird? Warum wird der Bund nicht um genügend Geld angegangen, um Strandaufspülung im unterentwickelten Strandbereich vor den Abbruchdünen Ende Hammersee finanzieren zu können? Die Mengen, die hier benötigt werden, sind im Vergleich mit Sylt gering und wahrscheinlich langfristiger dort verbleibend. Teilweise das erste, auf jeden Fall das zweite Quartal des Jahres 2014 hätte sich bestens geeignet, diese Küstenschutzmaßnahmen in Angriff zu nehmen.
Ein weiteres unverständliches Handeln des NLWKN ist der Abtransport der wichtigen Billriffsände, die ebenso wie die Sandbänke einen Schutz der Insel gewährleisten. Das Billriff war eine hohe Plate, die nur im Winter bei Sturmfluten überspült wurde. Seit in den 70ger Jahren durch die Verlegung einer Pipeline Sandbänke und Plate durchstochen wurden, verringerte sich die Höhe des Riffs. Weitere Eingriffe durch Abbau von sogenannten „positiven“ Sandflächen durch das NLWKN ab den 80ger Jahren zum Einbringen inselseitiger Dünenverstärkung führten zu weiteren erheblichen Veränderungen des Riffs.
Wenn der Sand auf der Insel gewonnen werden muss, bietet sich die Ostseite an, da sich der Strand dort ständig durch Dünenabbruch im Westen und Anlandung im Osten erhöht. Dünen sind natürlicher Schutz für die Insel, weil sie von Grund auf gewachsen sind. Da sie irgendwann zu „Schutzdünen“ nach dem Niedersächsischen Deichgesetz erklärt worden sind, werden sie nun wie
Deiche eingestuft und behandelt. Inseln verlagern sich aber aufgrund von Strömungen. Eine Durchbruchsicherheit der Düne in Sturmfluten kann durch Maßnahmen, wie sie vom NLWKN ausgeführt werden, nicht erreicht werden. Die Dünen, die inselseitig verstärkt werden, sind nicht gewachsen, also auch nicht durchwurzelt. Sollten die Steilhänge der Dünen am Hammersee weiter durch Sturmfluten abnehmen, was anzunehmen ist, wenn der Strand nicht höher und breiter wird, so rutschen diese „Dünenverstärkungen“ noch rascher nach, als es durchwurzelte Dünen tun.
Die Arbeiten mit schweren Geräten im Inneren der Insel vernichten Biotope. Die entstandenen „natürliche Dünen mit höher aufragenden Dünenkuppen und unterschiedlichen Böschungsneigungen, die im Herbst mit Strandhafer bepflanzt wurden“ sind auch nach vielen Jahren nicht artenreich im Bewuchs. Die Behauptung des NLWKN, die durchbruchgefährdeten Schutzdünen zwischen dem Westende der Insel und dem Hammersee habe die Gefahr des Durchbruchs der Dünen und Überflutung durch die Verstärkungsmaßnahmen an den Dünen erfolgreich verhindert, trifft so nicht zu, denn im Laufe der vielen Jahre und Maßnahmen der binnenseitigen Dünenverstärkung hat sich die Strömung und damit das Priele-System so verändert, dass sich die Kraft der Sturmfluten nach und nach weiter gen Osten verschiebt.
Die binnenseitige Dünenverstärkung ist deshalb nur eine reaktive Form des Inselschutzes, keine wirklich moderne Verfahrensweise. Was nützt die satellitengestützten Vermessungstechnik und das Fernerkundungsverfahren, wenn ihre Resultate nicht die Natur schonende Maßnahmen entwickelt, sondern die schöne Insellandschaft und hier das einzigartige Biotop und Vogelparadies Hammersee durch den Eingriff reduziert? Warum die Panikmache bei jeder höheren Sturmflut?
Hätte man einen Dünendurchbruch beim neuen Wäldchen-Übergang nach 2007/2008 in Kauf genommen – er wäre auch am 6.12.2013 nicht passiert – dann wäre nur bei hohen Fluten Meerwasser in das tiefliegende Dickichttal geflossen und auch wieder abgeflossen, denn hinter dem Tal gibt es genügend Dünen, die dem Meer nicht ausgesetzt sind. Das Biotop hätte sich auf natürliche Art verändert, aber die Insel wäre deswegen nicht „durchgebrochen“. Wahrscheinlich wäre ein Priel entstanden, ähnlich den Prielen, die sich durch das gewachsene Land des ehemaligen Kalfamers ziehen, die dafür sorgen, dass eine natürliche Insellandschaft entsteht.

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