Windenergieerlass in Niedersachsen: die grüne Spur des Geldes

Nonnengänse am Dollart, „Weltnaturerbe“ Wattenmeer. Im Hintergrund der Windpark „Wybelsumer Polder“ bei Emden und Teile des VW-Werkes.

Am 21. Juli berichtete die Deutsche Presseagentur dpa ausführlich über die Absicht des niedersächsischen Umweltministers Stefan Wenzel (B90/Die Grünen), einen Erlass zur Windenergie herauszubringen. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich diese Minister-Nummer als der Versuch, zusammen mit der Windenergiewirtschaft die Zulassung von noch mehr Windkraftanlagen unter Vernachlässigung von hemmenden Naturschutzauflagen im Lande durchzudrücken. Der Erlass soll mit einem neuen „Leitfaden“ zur Windenergie verbunden werden. Der Wattenrat berichtete darüber bereits hier: Erlass Windenergie und Naturschutz in Niedersachsen: Böcke zu Gärtnern

Eine fachliche Arbeitshilfe für die genehmigenden Landkreise gibt es aber längst, die fortlaufend fortgeschrieben wird: Niedersächsischer Landkreistag – „Arbeitshilfe Naturschutz und Windenergie – Hinweise zur Berücksichtigung des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie zur Durchführung der Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung bei Standortplanung und Zulassung von Windenergieanlagen (Stand: Oktober 2011)“, das sog. NLT-Papier.

Der behördliche Naturschutz wurde mit der Regierungsübernahme der SPD und Grünen weiter geschwächt: Die Referatsgruppe Naturschutz (das entsprach einer Abteilung im Umweltministerium), wurde aufgelöst und der Naturschutz in die Abteilung 2 „Naturschutz, Wasserwirtschaft, Bodenschutz“ integriert. Dort steht der Naturschutz zwar im Namen an erster Stelle, ihm steht dort aber als bloßes Anhängsel der Wasserwirtschaft das Wasser bis zum Halse. Dafür wurde eine neue Abteilung 5 installiert: „Energie, Klimaschutz“. Und dort sitzen die Hardcore-Verfechter der „erneuerbaren Energien“, die möglicherweise glauben, die Windenergie übe einen Einfluss auf das Klima in Niedersachen aus! Tatsächlich geht es aber ums Geld, um das Investitionsklima der Branche. Es steht nun befürchten, dass das NLT-Papier von der Windlobby mit den damit verbandelten Planungsbüros als fachliche Arbeitshilfe platt gemacht werden könnte, durch einen von der Windlobby verfassten Erlass und einen Leitfaden, zum Nachteil von Natur und Landschaft.

Windpark Wybelsumer Polder bei Emden, am „Weltnaturerbe Wattenmeer“

Ob die beteiligten Naturschutzverbände NABU und BUND tatsächlich eine fachliche Hilfe in der von der Windlobby dominierten Arbeitsgruppe sind, ist fraglich. Diese Verbände sind nicht die Lösung, sondern ein Teil des Problems. Beide Verbände haben in der Vergangenheit bewiesen, das sie vehemente Verfechter des Ausbaus der Windenergie sind. Dazu vermitteln und bewerben sie Naturstrom“verträge. Der BUND-Niedersachsen hat in der Vergangenheit für Schlagzeilen gesorgt, als er für den Klageverzicht gegen den geplanten Nearshore-Windpark „Nordergründe“ im Wattenmeer zwischen Cuxhaven und Wangerooge vom Umweltministerium ca. 800.000 Euro aus den Kompensationsmitteln, die der Fachbehörde Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz zustehen, für eine BUND-eigene Stiftung in Aussicht gestellt bekam. Viele niedersächsische Naturschutzverbände hängen am Tropf der „institutionellen Förderung“ und von Projektfördergeldern, die vom Land verwaltet und verteilt werden.

Windpark Utgast/Gemeinde Holtgast, LK Wittmund/NDS

In Zukunft kann Niedersachsen auch von der vom Bundesrat im Juni 2014 beschlossenen „Länderöffnungsklausel“ beim Abstand von Windenergieanlagen Gebrauch machen. Bayern und Sachsen hatten sich nach heftigen Debatten im Bundesrat durchgesetzt. Die Länder können nun die zehnfache Gesamthöhe von Windkraftanlagen, das sind fast zwei Kilometer, zur Wohnbebauung festlegen, das Baugesetzbuch wird entsprechend geändert. Die Betonung liegt auf können, die Länder müssen es nicht umsetzen. Das würde den Expansionsdrang der Windlobby mit den zu erwartenden Profiten aus dem Erneuerbare Energien Gesetz weiter einschränken.

Eine von tausenden: Windkraftopfer Fledermaus, Windpark Utgast/Gem. Holtgast/LK Wittmund/NDS

Vom ausführlichen dpa-Bericht war übrigens in den Küstenzeitungen in Niedersachsen nur wenig zu lesen, der Bericht wurde auf ein paar Zeilen eingedampft. In den niedersächsischen Küstenlandkreisen gibt es die höchste Dichte an Windkraftanlagen in Deutschland. In Aurich produziert der Anlagenhersteller Enercon. Er ist ein bedeutender Anzeigenkunde und Arbeitgeber in der Region. Der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ), die immerhin im Zentrum der niedersächsischen Macht erscheint, war der Windenergieerlass bisher keine Zeile Wert…

21. Juli 2014

Woher weht der Wind? – Naturschutz fürchtet um Stimme bei Windkraft

Von Heiko Lossie, dpa

Viele Politiker preisen die Windkraft als Vorboten einer Zukunft, in der Ingenieurskunst, nachhaltiges Wirtschaften und Nutzen für Natur und Klima zusammenfinden. Doch so einfach ist die Welt nicht. Es geht vielmehr auch um knallharte Geschäftsinteressen.

Hannover (dpa/lni) – Die Kriminalistik hat eine Faustregel: Folge der Spur des Geldes. Das ist auch in der Windkraft oft praktikabel. Etwa in Niedersachsen, Deutschlands Windenergiestandort Nummer eins. Eine Spur führt da zum Beispiel nach Aurich zum Windrad-Branchenprimus Enercon. Dessen Gründer Aloys Wobben ist laut «Manager Magazin» der reichste Niedersachse und Multimilliardär. Eine andere Geldspur führt nach Hannover zum Windpark-Projektierer Windwärts. Der ist insolvent.

Milliardenbringer dort, Pleitekandidat hier – dennoch haben Windwärts und Enercon eines gemeinsam: Sie sitzen in einem Planungskreis des Umweltministeriums, der einen verbindlichen Erlass zur Zukunft des Windkraftausbaus erarbeitet. Es geht um zwingende Vorgaben für die Behörden zwischen Harz und Küste. Dass die Windkraftlobby dabei ihr Interesse vertritt, ist legitim. So läuft es in der Wirtschaft.

Fragwürdiger scheint, dass in dem Expertenkreis 14 Branchenlobbyisten und 2 Naturschützer sitzen. Die Nachrichtenagentur dpa kennt Entwürfe und Protokolle für den neuen Erlass. Kritiker im Ministerium selber fürchten, dass Rot-Grün beim politischen Ziel Windkraftausbau übers Ziel hinausschießt. «Klientelpolitik machen alle Parteien, aber hier ist ein Maß erreicht, das völlig inakzeptabel ist», sagt ein Insider.

Windkraft und Naturschutz gehören zwingend zusammen. So legt etwa eine Studie der Leibniz-Universität Hannover nahe, dass die Windräder zwischen Alpen und Küste jedes Jahr Zehntausende Fledermäuse töten. Bundesweit könne die Zahl jährlich getöteter Tiere von wenigen Tausend bis hin zu sechsstelligen Zahlen reichen, sagt Studienleiter Prof. Michael Reich. Genauere Schätzungen benötigten mehr Studien.

Solche wissenschaftlichen Erkenntnisse finden in Niedersachsen seit Jahren auch ohne Erlass ihren Einfluss auf die Windkraftplanung. Denn längst hat der Niedersächsische Landkreistag (NLT) in Ermangelung zentraler Vorgaben einen dicken Leitfaden erstellt, in Fachkreisen als NLT-Papier bekannt. Die Windkraftlobby bekämpft es massiv.

So beklagte sich etwa Windwärts-Geschäftsführer Lothar Schulze schon bei Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Das Protestschreiben liegt der dpa vor. «Das NLT-Papier ist aus Sicht der Windenergiebranche ein sehr schädliches und die Windenergienutzung weit über jedes sachlich begründbare Maß hinaus behinderndes Instrument», meint Schulze. Doch NLT-Chef Hubert Meyer sagt, Gerichte bestätigten das Papier laufend.

Richtig spannend wird es, wenn die Windkraftlobby das NLT-Papier ganz unter sich beschimpft. Etwa bei den Fledermäusen – im Branchenjargon englisch «Bats» genannt. Denn neues Forschungswissen könnte bedeuten, dass bestehende Anlagen auf Fledermausrisiken überprüft werden und dann womöglich pausieren müssten, wenn die Tiere aktiv sind. «Es geht darum, dass Untersuchungsmethoden massiv ausgeweitet werden sollen und Abschaltzeiten für Bats zum Standard werden, die weit über bisher übliche Regelungen hinausgehen», warnen Branchenvertreter einander.

Sie werfen dem Naturschutz ideologische Verblendung vor. Mit hartem Fledermausschutz drohten vier Prozent Gewinneinbußen plus die Kosten aus der Fledermausrisikoanalyse. Da ist sie: die Spur des Geldes.

In dieser Gemengelage sitzen in der Planungsgruppe im Ministerium nun 14 Branchenlobbyisten und je ein Vertreter von BUND und Nabu. Und während der Naturschutz bei seinem Erlass-Lobbying auf ehrenamtliche Experten zurückgreifen muss, werde der anderen Seite «personell in Gruppenstärke zugearbeitet», merkt Nabu-Landesvize Ulrich Thüre an.

Grünen-Umweltminister Stefan Wenzel verspricht, das Thema notfalls zur Chefsache zu machen. Ziel sei ein Konsens am Expertentisch. «Und wenn das nicht überall gelingen sollte, dann möchte ich am Ende alle strittigen Positionen, die womöglich übrig bleiben, sehen und auf dem Tisch haben. Im Zweifel muss ich dann entscheiden. Aber dann will ich beide Seiten kennen. Nichts soll im Vorfeld unter den Tisch fallen.»

Ideologisch verblendete Extrempositionen können Nabu und BUND in der Arbeitsgruppe übrigens schwerlich einnehmen. Beide Organisationen sind für die Energiewende und unterstützen Windkraft – müssen aber den Spagat zum Artenschutz schaffen. BUND-Mann Stefan Ott sagt: «Wir wissen, dass wir Lobby für diese beiden Seiten sind. Aber wir wissen auch, dass die biologische Vielfalt ansonsten keine Lobby hat.»

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH, Hamburg, www.dpa.de

Weser-Kurier, Bremen online, 21. Juli 2014

Einfluss auf Ausbaupläne für WindkraftHannover. Die rot-grüne Landesregierung setzt bei der Planung des weiteren Windkraftausbaus in Niedersachsen vor allem auf Ratschläge der Industrie. Nach dpa-Informationen gehören einem Expertenkreis 2 Naturschützer und 14 Industrielobbyisten an. Die rot-grüne Landesregierung setzt bei der Planung des weiteren Windkraftausbaus in Niedersachsen vor allem auf Ratschläge der Industrie.
Umweltminister Stefan Wenzel hält das nicht für bedenklich. Er wolle dafür sorgen, dass Positionen der Minderheit in dem Gremium nicht zu kurz kommen, sagte der Grünen-Politiker der dpa. „Im Zweifel muss ich dann entscheiden. Aber dann will ich beide Seiten kennen. Nichts soll im Vorfeld unter den Tisch fallen.“ In dem Expertenkreis sitzt das ABC der Branche: Das sind etwa der Windanlagenprimus Enercon, Windparkentwickler, der Bundesverband Windenergie, der Wirtschaftsverband Windkraftwerke, Energieriese RWE auch ein Planungsbüro, das damit wirbt, aus Gründen des Artenschutzes versagte Windparkprojekte doch noch umzusetzen. […]
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Weser Kurier, online, – 22.07.2014

Ministerium arbeitet an Regelwerk / Industrie dominiert Planungsrunde

Windkraft per Erlass

Von Silke Looden

Hannover. […] Für die Windkraft wird es in Niedersachsens demnächst erstmals einen Erlass geben, der wichtige Details wie die Höhe der Anlagen sowie die Abstände zur Bebauung und zu Schutzgebieten regelt. So hatte es die rot-grüne Landesregierung in den Koalitionsverhandlungen versprochen.

Die Planungsrunde, die den Erlass vorbereitet, indes ist dominiert von Windkraft- Lobbyisten. Gerade mal zwei Naturschützer von NABU und BUND sitzen mehr als zehn Windkraftexperten aus der Industrie gegenüber. Vertreten ist auch der Niedersächsische Landkreistag, der mit seiner „Arbeitshilfe Naturschutz und Windkraft“ bislang maßgebend für den Bau neuer Parks war. […]

Der Niedersächsische Landkreistag kritisiert die Dominanz der Wirtschaft im Dialogforum und verweist auf sein Arbeitspapier. Geschäftsführer Hubert Meyer: „Unsere Empfehlungen hatten vor Gericht bisher immer Bestand.“ Grundsätzlich, so Meyer, sei es richtig und wichtig per Erlass endlich Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen. Meyer: „Wir sind nicht gegen die Windenergie, aber die Interessen von Natur und Mensch müssen ebenfalls berücksichtigt werden.“ So hat denn auch der niedersächsische Landtagsabgeordnete und umweltpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Gero Hocker aus Achim, zunächst einmal die Anwohner im Blick: „Wenn eine Immobilie durch den Bau eines Windparks an Wert verliert, ist das eine Enteignung durch die kalte Küche.“ Hocker fordert eine Entschädigung für betroffene Immobilienbesitzer. Nicht umsonst werde auf Bundesebene bereits darüber diskutiert, dass die Anlagen mindestens zehn Mal soviel Abstand zur Bebauung haben sollten wie sie hoch sind. […]

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