In Ostfriesland wird derzeit Gras geschnitten, Silagefutter für die Massentierhaltung. Nicht für einen Schnitt, sondern vier- bis fünf Mal fahren die schweren Trecker, die auch die Straßen kaputtfahren, mit den Kreiselmähern und die Ladewagen im Frühjahr bis in den Sommer über die Grünlandflächen und mähen. Das überlebt kein Tier. Nach der Mahd sieht man häufig Krähen auf den gemähten Flächen sitzen, die das „Geschnetzelte“ auflesen und fressen. Bekannt sind vor allem die häufigen Tötungen oder Verstümmelungen von Rehkitzen oder Feldhasen, die unter die scharfen rotierenden Messer geraten, aber auch Insekten, Spinnen, Amphibien und Mäuse kommen flächendeckend unter die Räder und Messer. Die ehemals vertrauten Wiesenvögel, von der Lerche bis zum Kiebitz, sind durch diese Intensivlandwirtschaft längst weitgehend aus der Landschaft verschwunden. Aber auch ohne die häufige Mahd wären die Brutbiotope im Grünland wenig attraktiv für Limikolen wie Kiebitz, Uferschnepfe oder Rotschenkel. Was sich heute Grünland nennt, hat mit dem ehemals weit verbreiteten grünen Gras- und Wiesenflächen – als Bauern noch Landschaftspfleger waren – wenig zu tun, noch nicht einmal die Farbe stimmt mehr. Das entwässerte, mit Herbiziden vereinheitlichte und völlig gülle-überdüngte blau-grüne Grünland ist nur noch eine Monokultur weniger ausgewählter Ackergräser zur Futtergewinnung. Auf diesen toten Grasteppichen grasen dann nach der Mahd die Rinder und garnieren sie mit Kuhfladen. Der Städter hält es für „Natur“.
Die Flächen, auf denen Wiesenschaumkraut, Sumpfdotterblumen oder Binsen als sog. „Zeigerpflanzen“ wachsen, sind selten geworden. Nur diese feuchten Grünlandflächen sind der bevorzugte Lebensraum der Limikolen, landläufig Schnepfenvögel genannt. Sogar in ausgewiesenen Vogelschutzgebieten wie an der Ems wird früh mit der Mahd begonnen, auch hier: kein Vogelnachwuchs. Die Zugvögel, Gänse und Enten, werden im Herbst in diesen Schutzgebieten von Freizeitjägern bejagt, die nicht jagdbaren Arten ständig durch Jäger vertrieben.
Trotz der häufigen ertragreichen Grasmahd beklagen einige Bauernfunktionäre den angeblichen „Gänsefraß“ und die Verkotung des Grünlandes durch Gänse; dass die ausgebrachten Güllemengen erheblich höher sind – und zudem das Grundwasser belasten -, wird ausgeblendet. Nehmen die Bauern am Vertragsnaturschutz teil, werden sie pro Hektar und Jahr mit 250 Euro entschädigt, egal ob Gänsefraß aufgetreten ist oder nicht. Bei einem 100-Hektar-Betrieb fließen so zusätzlich 25.000 Euro jährlich in Bauers Kasse, 5,7 Millionen Euro kostet das den niedersächsischen Steuerzahler jährlich, und die nimmersatten Bauernfunktionäre wollen noch mehr. Offensichtlich ist der „Vertragsnaturschutz“ das falsche Instrument im Lande: Verträge können gekündigt werden. Naturschutz ist aber eine staatliche, hoheitliche Aufgabe und ist nicht den jeweiligen Befindlichkeiten irgendwelcher Bauernfunktionäre und deren Propagandaorganen unterworfen. Vertragsnaturschutz kann das gebotene hoheitliche Handeln nicht ersetzen! Wenn der Vertragsnaturschutz dem geforderten Erhaltungszustand der Naturschutz- und EU-Vogelschutzgebiete zuwiderläuft, müsste der Staat handeln, eigentlich.
Bereits die Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise könnten dem gallopierenden Vogelartenschwund, hervorgerufen durch die Intensivlandwirtschaft, mit gesetzlich gebotenen Maßnahmen nach § 44 (4) Bundesnaturschutzgesetz entgegenwirken. Dazu muss die betroffene Landfläche noch nicht einmal ein Schutzgebiet sein! Der Erhaltungszustand vieler dieser Arten hat sich deutlich wahrnehmbar verschlechtert, viele Arten sind kaum noch in der Fläche anzutreffen. Rachel Carsons „Stummer Frühling“ ist längst Wirklichkeit geworden, durch eine hochsubventionierte, von Steuerzahlern alimentierte Landwirtschaft. Nur wenden die Behörden das geltende Naturschutzrecht kaum jemals an.
§ 44 (4) BNatSchG: Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.
Grünlandumbruch
Der Dauergrünlandumbruch ist in Niedersachsen nur mit Auflagen zulässig; wenn Grünland zu Ackerland umgewandelt werden soll, muss es an anderer Stelle qualitativ gleichwertig ersetzt werden. Auf Bundesbene wird ein Pflugverbot für Grünland in Natura-2000-Gebieten vorbereitet, gegen das Landwirtschaftsfunktionäre Sturm laufen. Um den Umbruch zur Neuansaat zu umgehen, gibt es bereits landwirtschaftliche Geräte zur „Grünlanderneuerung“, die Rotorfräse. Auch Grünland unterliegt nach landwirtschaftlicher Lesart schon „Leistungserwartungen“, als Lebensraum für wildlebende Tiere wird es schon nicht mehr wahrgenommen. Grün ist eben nicht gleich grün!
Landwirtschaftskammer Niedersachsen: Grünlanderneuerung ordnungsgemäß und effizient durchführen
Wenn die Grünlandbestände den Leistungsansprüchen nicht mehr gerecht werden, muss über eine Verbesserung nachgedacht werden. Oft liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Grünlanderneuerung, allerdings ist dabei häufig auch ein erhöhtes Risiko durch Witterungs- und Standortbedingungen gegeben. Mit etwa 700.000 Hektar hat das Dauergrünland hinsichtlich landwirtschaftlicher Nutzungen die größte Flächenpräsenz in Niedersachsen. Die Ansprüche an die pflanzenbaulichen Leistungen vom Grünland variieren, je nach Verwertungsrichtung und Produktionsziel der landwirtschaftlichen Betriebe. Wenn die Grünlandbestände den Leistungsansprüchen nicht mehr gerecht werden, muss über eine Verbesserung nachgedacht werden. Oft liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Grünlanderneuerung, allerdings ist dabei häufig auch ein erhöhtes Risiko durch Witterungs- und Standortbedingungen gegeben. Die Grünlanderneuerung durch Neuansaat stellt auch auf absolutem Grünland eine Maßnahme im Rahmen der ordnungsgemäßen Grünlandbewirtschaftung dar, die jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen und unter Abwägung der Erfolgsaussichten und Kosten vorgenommen werden sollte. Die turnusmäßige Erneuerung von Dauergrünland auf absoluten Grünlandstandorten ist aus ökologischen und ökonomischen Gründen grundsätzlich kritisch zu bewerten. Zu den absoluten Grünlandstandorten zählen in Niedersachsen vor allem die landwirtschaftlich genutzten Hoch- und Niedermoore sowie Überschwemmungsgrünland und sonstige Feuchtgrünlandstandorte (Gleye, Pseudogleye). In intensiv genutzten und für die Milchviehfütterung vorgesehenen Beständen ist bald der dritte Aufwuchs schnittreif. Für Grünlanderneuerungen sollte der Zeitraum entweder nach dem dritten Silageschnitt oder nach der zweiten Heuwerbung ab Mitte Juli bis Ende August genutzt werden, um die notwendigen Arbeiten zeitgerecht durchzuführen. […]
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Anzeiger für Harlingerland, Wittmund/NDS, online, 02. Mai 2014
Frühe Grasmahd beginnt
Durch warmes Wetter erfolgt der erste Schnitt zwei Wochen eher
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Von HEIDI HINRICHSVier bis fünf Mal wird in diesem Jahr gemäht. Landvolk beklagt Gänsefraßspuren.
Zwei Wochen eher als in den Vorjahren haben die Landwirte im Harlingerland in den vergangenen Tagen mit dem ersten Grasschnitt fürdie Gras-Silage begonnen. Hohe Temperaturen und ausreichend Niederschlag haben den Graswuchs vorangebracht. „Die Erträge werden gut. Für die nächste Woche ist gutes Wetter angesagt, die Ernte kann starten, die Ländereien sind nicht zu nass“, so Kreislandvolkvorsitzender Manfred Tannen. Er seijedoch erschrocken, wie viele Schäden durch Gänsefraß auch auf dem Grünland festzustellen sei. Er selbst habe auf seinen Ländereien inKüstennähe noch nie so große Fraßschäden gehabt. Er hoffe, dass die Politik künftig Lösungen für diese Verluste der Landwirte finde.
Vier bis fünf Mal werden die Weiden inzwischen in der Saison gemäht. „Da es immer weniger Unternehmen gibt, muss der einzelne Betrieb immermehr leisten und das natürlich auch in der gleichen Zeit“, gibt er zu bedenken. Deshalb seien auch immer größere Landmaschinen auf den Straßen unterwegs, deren ausklappbare Mähwerke große Flächen in kurzer Zeit schneiden können. Die Lohnunternehmen haben einen vollenTerminkalender. Sechs Wochen werden zwischen dem ersten und zweiten Schnitt liegen, so Tannen. Gezielte Düngung sorge für zügiges Wachstum. Die Zeit derersten Mahd ist auch die Zeit, in der die Landwirte sich mit den Jägern absprechen bevor sie mähen, um Rehkitze zu schützen, erklärt Tannen weiter. […]
edit 22. Mai 2014: Der NABU-Niedersachsen verfasste am 22. Mai 2014 eine Pressemitteilung zum Wiesenvogelschutz:
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NABU Niedersachsen – P R E S S E D I E N S T — 22. Mai 2014
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NABU kritisiert regionale Strategie beim Schutz von nordischen Gastvögeln und Wiesenvögeln
Dr. Buschmann: „Bankrotterklärung beim Wiesenvogelschutz in Niedersachsen?“Hannover, Leer – Der NABU Niedersachsen sieht die gestern verkündete regionale Strategie beim Schutz von nordischen Gastvögeln und Wiesenvögeln in Ostfriesland sehr skeptisch. In den Gebieten, die gleichzeitig auch Schwerpunktraum für den Wiesenvogelschutz sind, werden in Ostfriesland zwei Fördervarianten für die dortigen Dauergrünlandflächen angeboten: sowohl mit als auch ohne Wiesenvogelschutzkoppelung. Während zuerst in der Diskussion war, die Koppelung zwangsweise dort einzuführen, wo auch Wiesenvogelbestände sind, soll dies nun auf freiwilliger Basis geschehen.
Dazu erklärte Dr. Holger Buschmann, NABU-Landesvorsitzender Niedersachsen, heute in Hannover: „Der sinnvolle Ansatz einer zwangsweisen Koppelung von beiden Schutzprogrammen wurde fallengelassen. Nur mit einer Koppelung beider Fördervarianten lässtsich allerdings sicherstellen, dass die Steuergelder effektiv eingesetzt werden. Die regional orientierte Strategie kommt daher aus unserer Sicht einer Bankrotterklärung des Niedersächsischen Umweltministeriums für den niedersächsischen Wiesenvogelschutz gleich.“
Dazu muss man wissen, dass derzeit über 20.000 Hektar über den Vertragsnaturschutz für die Duldung von nordischen Gastvögeln mit 5,7 Millionen Euro jährlich bezuschusst werden. Auf einem Teil der Flächen kommen gleichzeitig Wiesenvögel vor. Die Wirkung der subventionierten Maßnahmen ist allerdings so gering, dass Wiesenvögel nicht profitieren, sondern im Gegenteil weiterhin durch Schleppen, Walzen, Überdüngung und Verarmung der Vegetation, zu frühe Mahd und zu niedrige Wasserstände dramatisch zurückgehen. Das heißt, dass viele Gelder für die Nordischen Gastvögel ausgegeben werden, auf den gleichen Flächen aber die Wiesenvögel dezimiert werden.
Der NABU hat diesbezüglich eine EU-Beschwerde eingereicht, da Deutschland und insbesondere Niedersachsen den EU-rechtlich vorgeschriebenen Wiesenvogelschutz damit in eklatanter Weise vernachlässigen und zu wenig für den Erhalt besonders geschützter Lebensräume und Vogelarten tun.
Etwa die Hälfte der 42 Vogelarten der überwiegend landwirtschaftlich genutzten Landschaften, wie zum Beispiel Kiebitz, Braunkehlchen und Feldlerche ist nach Angaben im aktuellen Brutvogelatlas Niedersachsen im Bestand rückläufig. Niedersachsen ist für Wiesenvögel so bedeutend wie kein zweites Bundesland innerhalb Deutschlands. Hier brüten etwa zwei Drittel aller Uferschnepfen, die Hälfte der Großen Brachvögel und jeder dritte Kiebitz. Um den gefährdeten Wiesenvögeln wie Kiebitz, Uferschnepfe und Bekassine, die alle drei einen Bestandsrückgang in Niedersachsen von mehr als 50 Prozent aufweisen, eine erfolgreiche Brut und Aufzucht der Jungen zu ermöglichen, braucht es in Niedersachsen extensiv genutzte Grünlandflächen.
Gerade die Wiesenvögel sollten durch die Kopplung des Wiesenvogelschutzes an den Gänseschutz endlich gestützt werden. Bisher nahmen nur wenige Landwirte die Wiesenvogelverträge auf und so wurden in Niedersachsen ca. 70 Hektar zeitweise gesichert. Dies ist angesichts der großen Flächen, die von Wiesenvögeln als Brutgebiet genutzt werden, ein Armutszeugnis. Insgesamt sind knapp 300.000 Hektar als Wiesenvogelschutzgebiete in der Gesamtkulisse der niedersächsischen Vogelschutzgebiete ausgewiesen. Nach Meinung des NABU müssten landesweit mindestens 4.000 Hektar speziell für Wiesenvögel bewirtschaftet werden, um das Aussterben von Uferschnepfe, Kiebitz und Großem Brachvogel in Niedersachsen zu verhindern. Insofern wäre es gut zu wissen, wie hoch der im Rahmen der regionalen Strategie in Ostfriesland versprochene Anteil für die ‚freiwilligen Teilnahmebereitschaft‘ bei der Koppelung beider Förderprogramme sein soll. Zudem ist fraglich, ob die Landwirte der Empfehlung ihres Verbandes überhaupt folgen wollen.
Erfolge für den Wiesenvogelschutz zeigen sich dort, wo auf privaten Flächen Vertragsnaturschutz mit entsprechenden Maßnahmen stattfindet. Dabei erhalten Landwirte Ausgleichszahlungen für spätere Mähtermine, erhöhte Wasserstandshaltung im Frühjahr, verringerte Beweidungsdichten oder für den Verzicht auf Düngung. Je mehr Flächen in einer Region unter Vertrag stehen, desto besser greift der Wiesenvogelschutz. Dazu wäre es gut zu wissen, wie die Ziele, die Nutzungsintensität, die Nutzungsform (Beweidung und/oder Mahd) und die Zeitpunkte der maschinellen Bodenbearbeitung denn wiesenvogelgerecht umgesetzt werden sollen.