Wieder einmal sendet Radio Eriwan Beruhigendes, wenn es um die Windkraft geht: Ausgerechnet die Genehmigungsbehörde des Bundes für Offshore-Windkraftanlagen, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH), stellt mit eigener Untersuchung fest, dass „Offshore-Windparks die Artenvielfalt erhöhen“.
Pressemitteilung des BSH vom 30. Okt. 2013: „[…] „Wir freuen uns, dass es hier keine negativen Auswirkungen auf die Meeresumwelt gegeben hat. Das ist eine gute Nachricht für die weitere Entwicklung,“ betonte Monika Breuch-Moritz, Präsidentin des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie, das die ökologische Begleitforschung geleitet und koordiniert hat. […] Das Forschungsprojekt zeigt, dass befürchtete Entwicklungen zu den Auswirkungen wie Verödung der Fauna oder Massenschlag bei Vögeln nicht eingetreten sind. Die Fundamente der Offshore-Windenergieanlagen bilden künstliche Riffs, an denen sich Muscheln, Seeanemonen und Seelilien sowie Seesterne ansiedeln. Forscherinnen und Forscher haben eine höhere Artenvielfalt festgestellt. […] Bei normalen Wetterlagen zeichneten die Geräte keine Kollisionen auf. Ungeklärt ist noch die Kollisionsgefahr bei schweren Wetterlagen, die für die Vögel unerwartet auftreten. […]“
Die „höhere Artenvielfalt“ mag für die Hartsubstrate der Anlagen unter Wasser, also die Beton- und Stahlfundamente, „im Prinzip“ sogar stimmen. Hier siedeln sich z.B. Krebse oder Muscheln an. Muscheln, Krebse oder Seeanemonen besiedeln aber auch jedes Schiffs- oder Flugzeugwrack unter Wasser. Also fördert auch jedes Schiffsunglück durch neue künstliche „Riffe“ die Artenvielfalt auf dem Meeresgrund. Jede Öl- oder Gasbohrplattform im Meer wird im Unterwasser- und Spritzwasserbereich von Krebstieren oder Muscheln besiedelt.
Auch die riesige schwimmende Öltankplattform „Brent Spar“ des Energiemultis SHELL, deren Versenkung vor Irland 1995 von Greenpeace verhindert wurde, hätte einen geeigneten Lebensraum für Krebse und Muscheln abgegeben. Niemandem, außer vielleicht des BSH, wäre eingefallen, den Stahlschrott als Bereicherung der Meeresfauna zu bezeichnen. Und Windkraftwerke, die eine nur sehr begrenzte Lebensdauer haben, werden aus Renditegründen unter Ausnutzung des strompreistreibenden Erneuerbare Energien Gesetzes ins Meer gestellt, nicht aber um die Artenvielfalt zu fördern! Oder heißt die Behördengleichung nun „mehr Windenergieanlagen auf dem Meer gleich mehr Artenvielfalt“?
Die in der Regel völlig naturentfremdete Leserschaft erfährt z.B. nicht, dass es umfangreiche Untersuchungen zur Gefährdung von über das Meer ziehenden Zugvögeln durch Offshore-Anlagen gegeben hat, mit erschreckenden Ergebnissen, so z.B. das Untersuchungsprojekt „Finobird“ oder auch das „Minos-Projekt“ . Die an den Windkonvertern verunglückten Zugvögel, gerade nachts oder bei Nebel, werden kaum jemals gefunden.
Schweinswale leiden erheblich unter den Rammarbeiten, die mit Lautstärken von über 200dBA (mit wochenlanger Dauerbeschallung lauter als ein Artillerieabschuss in unmittelbarer Nähe) durchgeführt wurden. Das kann tödlich für die Tiere sein, weil die Ortungssysteme geschädigt werden. Als im Sommer 2012 in Schleswig-Holstein mehr als 130 tote Schweinswale antrieben, wurde kein einziges Tier untersucht, obwohl das Wahlschutzabkommen ASCOBANS dies vorsieht. Zeitgleich fanden die Rammarbeiten zum Offshore-Windturbinenfeld Alpha-Ventus statt. Wirksame Schallschutzkonzepte wurden von der Industrie und einigen windkraftgeneigten Umweltverbänden (u.a. DUH, Greenpeace, BUND und NABU) torpediert; im Sommer 2012 in Berlin einigte man sich auf einen „verträglichen Wert“ von 160 dBA als „Kompromiss“: für die Industrie, nicht für die Kleinwale!
Ein Jahr später wurde ein von der Bundesregierung vorgeschlagenes Lärmschutzkonzept von der Windlobby gekippt, weil verträgliche Lärmwerte technisch nicht eingehalten werden können. Sogar die Tageszeitung taz, sonst als Sprachrohr der „Erneuerbaren Energien“ bekannt, titelte im August 2013: „Wind-Lobby stoppt Walschutz Nach dem Protest der Offshore-Industrie gehen die Nord-Länder auf Distanz zum Lärmschutzkonzept. Darunter leiden die Schweinswale.“ Mutete man diesen gesundheitsschädlichen Dauerlärm den Menschen zu, müssten die Verursacher mit der Strafverfolgung wegen Körperverletzung oder gahr fahrlässiger Tötung rechnen.
Der Umweltverband BUND ist selbst – wie NABU und Greenpeace auch – Ökostromvermittler und hat sich entgegen seiner Satzung stets vehement für den Ausbau der Windenergie zu Lande und zu Wasser artikuliert, mit allen Folgenden für Landschaften und die Tierwelt. Beim Wattenmeer-Windpark „Nordergründe“ am Rande des „Weltnaturerbe“ Wattenmeer zog der BUND eine bereits eingereichte Klage gegen eine vom Land Niedersachsen in Aussicht gestellte Zahlung von ca. 800.000 Euro aus Kompensationsmitteln für eine BUND-eigene Stiftung zurück.
Diese von der Presse bisher völlig unkritisch und ohne Gegenrecherche verbreitete platte Jubelmeldung der Genehmigungsbehörde BSH ist nicht „verblüffend“, wie Spiegel-online schreibt, sie ist eine gezielte staatliche Desinformation zur Akzeptanzförderung der immer mehr umstrittenen Windenergie und einer fragwürdigen „Energiewende“, also eine Unverschämtheit. Das BSH führt eine weitgehend völlig unkritische und uninformierte Leserschaft hinters Licht und verschweigt wesentliche Details. Diese Meldung des BSH hat in Teilen den gleichen Nachrichtenwert wie die Werbung der Zigarettenindustrie, die uns auch einreden könnte, dass Rauchen womöglich die Gesundheit fördere.
Spiegel online, 30. Okt. 2013
Deutsche Aufsichtsbehörde: Offshore-Windparks fördern die Artenvielfalt
Windpark „Bard 1“ (im August 2013): Fundamente als Lebensraum
Es ist ein einigermaßen verblüffendes Ergebnis: Nach einer Studie des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie können Windparks vor den deutschen Küsten durchaus ökologische Vorteile bringen. Die Daten stammen aus der Testanlage „Alpha Ventus“.
Einst galten die riesigen Windräder als wichtiger Baustein für die Energiewende – doch der Ausbau von Windparks vor den deutschen Küsten kommt nicht voran, unter anderem wegen der komplizierten und vor allem teuren Anbindung an das Stromnetz an Land. Auch über die ökologischen Folgen der Anlagen war lange Zeit diskutiert worden: Meucheln die Rotoren große Mengen an Seevögeln? Vergraulen die Anlagen Meeressäuger wie etwa Schweinswale? […]