In mehr als 660 Fällen sollen in den letzten Jahren auf der Urlaubsinsel Langeoog illegale Um- oder Anbauten entstanden sein – zu Vermietungszwecken, für noch mehr Inseltouristen. Dabei wurden auch Brandschutzvorschriften umgangen. Der Landkreis Wittmund ermittelt derzeit mit zusätzlich eingestellten Mitarbeitern gegen die Schwarzbauten. Langeoog hat eine registrierte Wohnbevölkerung von ca. 1731 Einwohnern (Statistisches Bundesamt, 31. Dez. 2011, andere Angaben gehen von über 2000 Einwohnern aus), jährlich besuchen mehr als 200.000 Gäste (Tagestouristen nicht eingerechnet) die Insel, die touristischen Übernachtungszahlen betragen mehr als 1,5 Millionen(Zahlen nach IHK für Ostfriesland und Papenburg). Laut Inselkirche Langeoog werden ca. 15.000 Gästebetten bereitgestellt, andere Zahlen liegen bei „nur“ 10.000 Betten.
403 Langeooger drehten den Spieß nun um. In einer Petition wollen sie erreichen, dass die Bebauungspläne nachträglich „angepasst“ werden, damit einer „Vielzahl von Anzeigen baurechtswidriger Nutzung der Boden entzogen werden kann.“ Was nicht passt soll also passend gemacht werden, mit einem Ratsbeschluss. Frage: Lassen sich massenweise Verstöße gegen das Baurecht mit einer Petition und einem Ratsbeschluss aus der Welt schaffen? Kann man Recht per Mehrheitsbeschluss beugen? Und: Geht es auf anderen Urlaubsinseln im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und „Weltnaturerbe“ ähnlich zu? Folgt nun statt der Kommunalaufsicht die Kommunalnachsicht, die es im Landkreis Wittmund am Beispiel Langeoogs schon einmal gab? (Siehe ganz unten, Nachtrag: illegaler Golfplatz auf Langeoog)
—
Anzeiger für Harlingerland/Wittmund/NDS, online 10. Okt. 2013
BAURECHT – Bürger übergeben Garrels Petition
Unterzeichner möchten, dass Pläne angepasst werden
LANGEOOG|KDH Langeoogs Bürgermeister Uwe Garrels hat gestern die Petition „Legales Wohnen“ entgegengenommen. Dr. Brita Petersen informierte im Namen von 403 Unterstützern, dass der Bürgermeister gebeten wurde, den Termin der Ratssitzung mitzuteilen, in der die Petition auf die Tagesordnung komme. Inhaltlich geht es den Unterzeichnern (einheimische und auswärtige Eigentümer und Mieter von Grundstücken und Wohnungen auf Langeoog) darum, dass Bebauungspläne so angepasst werden, dass einer „Vielzahl von Anzeigen baurechtswidriger Nutzung der Boden entzogen werden kann“. […]
Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA), online, 02. Sept. 2013[…] Inselbürgermeister Uwe Garrels findet’s einerseits „blöd, dass einer alles abklappert und anschwärzt“. Geld kaputt, Betten kaputt – solche Befürchtungen könne man jetzt unter Insulanern hier und da hören. Garrels Vermutung: Hinter den Anzeigen steckt jemand, „dem mal auf Langeoog was abgelehnt wurde“. Aber: Ans Baurecht müsse man sich schon aus Versicherungschutzgründen unbedingt halten. Sind Bausünden nachträglich durch Änderung der Bebauungspläne zu legalisieren? Hat Garrels schon gehört, viel sei so aber nicht zu reparieren. Und für sinnvoll halte er das auch nicht. Die Insel werde nicht größer, 90 Prozent Langeoogs lägen im Nationalpark Wattenmeer und seien für Bebauung tabu. Immer mehr Gästebetten – das sei für Langeoog langfristig sowieso keine Lösung. Er hoffe, „dass das Ganze am Ende der Bewusstseinsbildung dient“, sagt der Inselbürgermeister.
Nachtrag: Illegale Bautätigkeiten haben auf Langeoog schon eine kleine Tradition: Bereits 2001 wurde ein Golfplatz auf einer Fläche des Nationalparks (Zwischenzone) illegal eingerichtet. Der Landkreis Wittmund verhängte damals ein Bußgeld, ließ die Golfer dann aber unbehelligt bis 2007 weiter einlochen. Dann zogen die Sportsleute um auf eine andere Fläche in Flugplatznähe, die vorher aus dem Geltungsbereich des Nationalparks nach der Änderung des Nationalparksgesetzes herausgenommen worden war. Die Strafanzeige des Wattenrates gegen die Golfplatzbetreiber wurde von der Staatsanwaltschaft Aurich eingestellt, auch die Generalstaatsanwaltschaft in Oldenburg bestätigte nach einer Beschwerde des Wattenrates die Einstellung des Verfahrens: „Denn auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt ist grundsätzlich wirksam.“
Es ging aber weniger um den fragwürdigen und „nachsichtigen“ Verwaltungsakt des Landkreises Wittmund als um die erheblichen Bodenveränderungen in der Zwischenzone des Nationalparks. Überhaupt nicht gewürdigt wurde der §329 des Strafgesetzbuches, der Veränderungen an der Bodenstruktur eines Nationalparks unter Strafe stellt und sogar mit Freiheitsstrafe bedroht. Ob dieser milde Umgang der Staatsanwaltschaft mit den Inselgolfern an den guten Beziehungen des damaligen Landrates des Landkreises Wittmund mit einem inzwischen pensionierten Staatsanwalt liegen, kann heute nicht mehr geklärt werden….