Auch die neue rot-grüne Landesregierung hält an den von der schwarz-gelben Vorgängerregierung initiierten Absicht fest, das UNESCO-Weltnaturerbegebiet „Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer“ seewärts der Inseln zu vergrößern. Im Landtagswahlkampf 2012/213 hatte der damalige Ministerpräsident McAllister (CDU) eine Woche vor der Landtagswahl im Januar 2013 beantragt, die hinzugefügten Wasserflächen des erweiterten Nationalpark auch in das Weltnaturerbe mit einzubeziehen.
In der vergangenen Woche bereiste ein Team der International Union for Conservation of Nature (IUCN) einen Teil des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer und wurde dabei vom Nationalparkleiter Peter Südbeck geführt. Die Medien beachteten den IUCN-Besuch an der Küste kaum. Der NDR berichtete in einem Kurzbeitrag darüber. Auch der Wattenrat wurde zu diesem Beitrag gehört und darin erwähnt, allerdings nur im nachstehenden online-Beitrag, aber nicht in dem sehr kurzen Sendebeitrag.
Als Kritikpunkte an der Welterbe-Erweiterungs-Nummer wurde vom Wattenrat gegenüber dem NDR genannt:
*Das Etikett „Weltnaturerbe“, auch bei einer Ausdehnung, ändert nichts an den völlig unzureichenden Schutzinhalten des in Niedersachsen flächengleichen Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer, es bleibt ein Etikett für die Tourismusvermarktung.
* Seit 1986 bis heute gibt es keinen Nationalparkplan mit Darstellung der Entwicklungsziele im Großschutzgebiet, das nur noch als „Weltnaturerbe“ wahrgenommen wird. Der Schutz ergibt sich aber aus dem Nationalparkgesetz, nicht aus dem Status „Weltnaturerbe“.
* Die neue Nutzung Kitesurfen wurden in den Schutzzonen II (Zwischenzonen) unter Missachtung der rechtlichen Grundlagen ausgewiesen, nachdem das „Welterbe“ eingerichtet wurde.
* Auf den Inseln wird immer noch die Hobbyjagd auf Wasservögel ausgeübt.
* Die auch ohne das Nationalparkgesetz geschützten Salzwiesen sind häufig in sehr schlechtem Zustand: Entwässerung, Begrüppung und mangelnde extensive Beweidung, dadurch Überwucherung mit Quecke und Verschwinden der typischen Salzwiesenpflanzen, Stichwort Salzwiesen-Missmanagement.
* Die Betreuung und Aufsicht durch 6 hauptamtliche und kompetenzlose Ranger ist völlig unzureichend und politisch nicht anders gewollt.
* Im Wattenmeer bei „Nordergründe„, nur 560 m vom Nationalpark und Weltnaturerbe entfernt (Nähe „Roter Sand“), ist ein riesiger Windpark geplant.
* Es gibt keine fischereifreien Zonen als Referenz- und Forschungsgebiete im Nationalpark; sie sind ausdrücklich politisch nicht gewollt, auch nicht in der neuen rot-grünen Landesregierung.
* Nationalparkleiter Südbeck „vermarktet“ den Nationalpark wie eine Tourismusagentur.
Gesendet wurde davon nichts, die Wattenrat-Kritik erschien, auf den Fremdenverkehr und die Kitesurfer verkürzt, bei NDR1-online.
Es wäre merkwürdig, wenn diese bekannten Kritikpunkte (und mehr!) von den bewertenden IUCN-Mitarbeitern nicht wahrgenommen würden. Zeigte man dieser Kommission eigentlich nur die wenigen Schokoladenseiten des Großschutzgebietes, oder wurde der IUCN vom Nationalparkleiter Südbeck ein potemkisches Dorf vorgeführt?
Vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk dürfte man eigentlich mehr Details als nur die Selbstdarstellung eines Nationalparkleiters erwarten, falls man so etwas den heutigen Hörern überhaupt noch qualitativ zumuten kann. Und die Tiere und Pflanzen des Wattenmeeres werden von einer Welterbe-Erweiterung kaum etwas merken….
NDR 1, Stand: 23.08.2013 11:36 Uhr
Wird das Weltnaturerbe Wattenmeer erweitert?
[…] Jetzt soll das Weltnaturerbegebiet erweitert werden – um den so genannten Offshore-Bereich vor Niedersachsen und dem Wattenmeer vor Dänemark. Internationale Experten haben sich den Bereich deshalb angeschaut – insgesamt 1.600 Quadratkilometer Fläche, außerhalb der Küstengewässer.
Entscheidung im Sommer 2014
„Es gibt keinen Zweifel, dass dieses Gebiet eine besondere Bedeutung hat“, sagte Oliver Avramoski von der Internationalen Union für die Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen. Da ist er sich mit seiner Kollegin einig. Mehr aber wollten sie erst mal nicht sagen, erklärte Elsa Nickel vom Bundesumweltministerium. Die beiden würden nun bis Ende des Jahres einen Bericht für die UNESCO schreiben; diese wiederum werde erst im Sommer 2014 entscheiden. […]
Kritik von Naturschützern
Vom Wattenrat, einem Zusammenschluss verbandsunabhängiger Naturschützer, hingegen kommt Kritik. Die Auszeichnung Weltnaturerbe diene lediglich dazu, den Fremdenverkehr anzukurbeln. Für den Naturschutz werde aber wenig getan. Zum Beispiel sei das Kitesurfen in Vogelschutzgebieten immer noch erlaubt.
Link: * Die IUCN und das Wattenmeer-Weltnaturerbe: Wer steckt dahinter?