Wie der Leiter des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer aus einem Artenschutzprojekt im Nationalpark gleichzeitig eine Tourismusnummer macht und einen Bürgermeister, der alles andere ist, zum Artenschützer befördert:
Sandregenpfeifer sind hochgradig bestandsbedrohte Vögel. In Mitteleuropa brüten sie an Sand- oder Kiesstränden der Nord- und Ostsee, von denen in Deutschland kaum noch welche ungestört sind. Sandregenpfeifer sind Opfer des Tourismus, nicht des „Klimas“, wie uns Wikipedia weismachen will. Auch in Ostfriesland gibt es noch wenige Brutvögel, die aber wegen des Massentourismus an den Strandbereichen kaum erfolgreich brüten können. In der Krummhörn im Landkreis Aurich brüten vereinzelt Paare im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, hier auch ausgerechnet auf einem Betondamm zwischen Hamswehrum und Dyksterkrug. Dieser Weg wurde nun von der Nationalparkverwaltung „in Abstimmung zwischen der Nationalparkverwaltung und der Gemeinde Krummhörn“ auf einer Länge von etwa vier Kilometern während der Brutzeit vom 1. Mai bis zum 15. August gesperrt. Die Sperrung wurde gemeinsam von Bürgermeister Johann Saathoff und Nationalparkleiter Peter Südbeck eingerichtet. Diese durchaus löbliche und notwendige Aktion verhilft aber nicht nur dem Sandregenpfeifer zu einer ungestörten Brut, sondern auch dem SPD-Bundestagskandidaten und Bürgermeister Saathoff zu einem aufpolierten Naturschutzimage.
„Die Gemeinde und die Nationalparkverwaltung bauen deshalb wieder auf das Verständnis und die Mithilfe von Einheimischen und Gästen beim Schutz der bedrohten Vögel“ heißt es in der Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung vom 26. April 2013 dazu (s.u.). Sicherlich ist die Aufklärung wichtig, aber zunächst gilt vor allem das Bundesnaturschutzgesetz:
Nach § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes (Störungsverbot) hätte man diesen Abschnitt vor dem Deich im Nationalpark auch ohne die Zustimmung des Krummhörner (LK Aurich) Bürgermeisters Saathoff (SPD) für die extrem bedrohte Vogelart Sandregenpfeifer sperren können.
Und Saathoff braucht Publicity, er ist Bundestagskandidat der SPD, aber keineswegs der verständnisvolle Artenschützer, als der er jetzt von der Nationalparkverwaltung in Szene gesetzt wird. Nationalparkverwaltung und Bürgermeister Saathoff arbeiten schon länger zusammen, vor allem zum Wohle der Tourismusentwicklung und gegen den Artenschutz. 2009 ignorierte man gemeinsam das Nationalparkgesetz. In Saathoffs Gemeinde wurde in Upleward in der Zwischenzone des Nationalparks trotzt des eindeutigen gesetzlichen Verbotes für Drachen eine Kitesurferzone für eine Surfschule eingerichtet, über eine äußerst fragwürdige „Befreiung“ von den Vorschriften des Nationalparkgesetzes, in unmittelbarer Nähe einer bedeutenden Rast- und Brutfläche für Watvögel! Eine gesetzlich vorgeschriebene Verträglichkeitsprüfung vor der Genehmigung ließ die Nationalparkverwaltung nicht durchführen. Sie wurde, als der Schulungsbetrieb bereits aufgenommen war, nachgereicht. Die Kriterien einer umfassenden Prüfung erfüllte das Gutachten nicht. Der Landkreis Aurich als Untere Naturschutzbehörde lehnte diesen Standort aus Artenschutzgründen ab.
Und es geht weiter mit Herrn Saathoff und dem Naturschutz: 2011 verfügte die Untere Naturschutzbehörde, dass eine Windkraftanlage, in deren Nähe eine Wiesenweihe brütete, vorübergehend bis zum 01. August nachts von vier Uhr morgens bis 22 Uhr abgeschaltet werden musste. Die Anlage ”Hof Groteland” gehört der Touristik GmbH Krummhörn, einer Tochtergesellschaft der Gemeinde Krummhörn.
Der selbe Bürgermeister der Gemeinde Krummhörn, Johann Saathoff, machte umgehend finanzielle Einbußen durch den Ausfall des lukrativen Strompropellers von „geschätzten 60.000 Euro“ geltend. Der Rechtsstreit ging zunächst vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg zugunsten des Landkreises aus. Ein weiterer Zivilprozess ist noch nicht abgeschlossen.
Es bleibt im Falle der Sandregenpfeifer zu hoffen, dass sich Einheimische und Touristen an die zweitweilige Sperrung dieses Wattenabschnitts halten. Ranger, die in einem Nationalpark Aufsicht führen müssten, gibt es hier nicht. Auf 3.500 qkm Nationalparkfläche gibt es ganze sechs Ranger, überwiegend verteilt auf die Inseln, die aber keine Kompetenzen haben. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in nahegelegegen Norden beschäftigt Mitarbeiter des Bundesfreiwilligendienstes (früher Zivildienstleistende), die werden ab und zu ein wachsames Auge auf die brütenden Sandregenpfeifer werfen.
Links:
Wiesenweihen vs. Windenergie: Abschaltung von zwei Anlagen: Gewaltandrohung gegen Mensch und Tier
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Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer
26. April 2013
Gemeinde Krummhörn unterstützt Brutvogelschutz
Betondamm zwischen Hamswehrum und Dyksterkrug wird erneut befristet
gesperrt
Wie bereits im vergangenen Jahr, wird in Abstimmung zwischen der Nationalparkverwaltung und der Gemeinde Krummhörn ein etwa vier Kilometer langes Teilstück des Lahnungsweges zwischen Hamswehrum und Dyksterkrug während der Brutzeit vom 1. Mai bis zum 15. August gesperrt. Bürgermeister Johann Saathoff und Nationalparkleiter Peter Südbeck richteten heute vor Ort gemeinsam die Sperrung ein. Der Bereich ist ein höchst bedeutsames Brutgebiet für Sandregenpfeifer und andere bedrohte Strandbrüter. Die Sandregenpfeifer brüten nahe der Wattkante in unmittelbarer Nähe des Betondammes, der auch als Wanderweg dient. Die empfindlichen Vögel können jedoch nur erfolgreich brüten und Junge großziehen, wenn ihre Kinderstuben völlig frei von Störungen sind.
Für den Erhalt der Art ist die Maßnahme überlebenswichtig, für Fußgänger und Radfahrer bedeutet sie nur einen kleinen Umweg. Über eine Umleitung am Deich können sie ihren Weg problemlos nach Norden oder Süden fortsetzen. „Die Krummhörner Küste zwischen Greetsiel und Upleward bleibt also auf ganzer Länge erlebbar“, betonte Saathoff. „Im vorigen Jahr konnten wir durch die Wegesperrung erreichen, dass 14 Sandregenpfeifer-Paare ungestört brüten konnten“, erläuterte Südbeck.
Die Gemeinde und die Nationalparkverwaltung bauen deshalb wieder auf das Verständnis und die Mithilfe von Einheimischen und Gästen beim Schutz der bedrohten Vögel.
Der Sandregenpfeifer brütet in Deutschland fast ausschließlich auf Stränden und an der Küste und ist im Bestand sehr stark gefährdet. Während der Brutzeit sind die Vögel außerordentlich störungsempfindlich. Kommen Menschen zu nahe, verlassen die Elternvögel das Nest. Bis sie zurückkehren, sind Eier oder Küken ohne Schutz. Jede einzelne Störung mindert die Chance, den Nachwuchs erfolgreich groß zu ziehen. Bleibt z.B. das Gelege innerhalb der vierwöchigen Bebrütungszeit nur eine halbe Stunde der vollen Sonne ausgesetzt, können sich die Eier überhitzen und die Embryonen absterben.