Stromtod an Mittelspannungsmasten: Wo bleiben die Sanktionen?

Tod am Mittelspannungsmast: Uhu, Foto (C): Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE)

Wieder einmal befasst sich der Wattenrat mit der unzureichenden Entschärfung der Mittelspannungsmasten für Vögel, auch wenn es diese Strommasten im Wattenmeer nicht gibt…. Eigentlich hätten diese oft tödlichen Sitzgelegenheiten schon mit dem Ablauf des Jahres 2012 von den Energieversorgern baulich entschärft werden müssen, so will es das Bundesnaturschutzgesetz.

§ 41 Bundesnaturschutzgesetz
Vogelschutz an Energiefreileitungen: Zum Schutz von Vogelarten sind neu zu errichtende Masten und technische Bauteile von Mittelspannungsleitungen konstruktiv so auszuführen, dass Vögel gegen Stromschlag geschützt sind. An bestehenden Masten und technischen Bauteilen von Mittelspannungsleitungen mit hoher Gefährdung von Vögeln sind bis zum 31. Dezember 2012 die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung gegen Stromschlag durchzuführen. Satz 2 gilt nicht für die Oberleitungsanlagen von Eisenbahnen.

Aber eigentlich ist nicht wirklich: Viele Masten wurden nicht termingerecht und gesetzeskonform umgerüstet, immer noch sterben gerade Großvögel den Stromtod. Sanktionsmöglichkeiten hat der Gesetzgeber gegen diese Versäumnisse nicht vorgesehen, allerdings greift hier u.U. auch das Tötungsverbot nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz. Auch das Umweltschadensgesetz ist nur bedrucktes Papier und wird bisher überhaupt nicht angewendet. Es ist der „Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen“ (EGE) zu verdanken, dass dieses leidige Thema immer wieder publik gemacht wird. Was könnten erst die „großen“ Naturschutzverbände wie BUND oder NABU erreichen, würden sie dieses Problemfeld mit ihren vielen hauptamtlichen Mitarbeitern und den noch zahlreicheren Mitgliedern „nachhaltig“ beackern! Von der WebSeite der Eulenfreunde haben wir deren Beitrag mit freundlicher Genehmigung übernommen:

Was leisten (sich) die Naturschutzverbände? – April 2013

Die gesetzliche 10jährige Umrüstungsfrist für gefährliche Mittelspannungsmasten haben die Netzbetreiber vielerorts ungenutzt verstreichen lassen. Die EGE hat diese Defizite seit Anfang des Jahres in einer ganzen Reihe von Fällen aufgedeckt und ist dabei zudem auf Masten vogelgefährlicher Bauart gestoßen, die seit 2002 hätten nicht mehr errichtet werden dürfen. Wann immer es der EGE möglich ist, setzt sie diese Kontrollen fort. Sowohl die fehlende Nachrüstung als auch die Errichtung gefährlicher Masten verstoßen gegen die Bestimmungen des § 41 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). 2002 hatte der Gesetzgeber die Netzbetreiber verpflichtet, bis spätestens zum 31.12.2012 für Vögel gefährliche Mittelspannungsmasten umzurüsten. Die Errichtung gefährlicher Masten ist seit 2002 untersagt.

Wer nun erwartet hat, die Verstöße könnten mit einem Bußgeld- oder gar Strafverfahren geahndet werden, sieht sich getäuscht. Der Bundesgesetzgeber hat versehentlich oder (wohl eher) absichtsvoll, von Sanktionsmöglichkeiten abgesehen, was man getrost als skandalös bezeichnen darf.

So ganz problemlos ist die Sache für die Netzbetreiber aber nicht. Kommt es nämlich an gefährlichen Masten nach dem 31.12.2012 zu Todesfällen, verstößt der Netzbetreiber möglicherweise gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Die Vorschrift verbietet nicht allein mutwilliges oder willentliches Töten, sondern auch das wissentliche Inkaufnehmen von Todesopfern. Solche Verstöße sind sehr wohl sanktionsbewehrt. Zudem kann mit dem Töten ein so genannter Biodiversitätsschaden verbunden sein, für den Verursacher haften und der Sanierungsmaßnahmen auslösen kann. Ein Biodiversitätsschaden liegt umso eher vor, je seltener die betroffene Vogelart ist. Wo aber sind die Akteure des Vogelschutzes, die gewillt und fähig sind, mit dieser Rechtslage dem Vogelschutz zum Recht zu verhelfen?

In der Aprilausgabe der Zeitschrift „Naturschutz und Landschaftsplanung“ hat sich der erfahrene Naturschutzjurist Dr. Erich Gassner auf die Untersuchungsergebnisse der EGE gestützt mit der Sache befasst und die Rechtslage erläutert. Die Überschrift den Beitrages ist zugleich Fazit: „Das Umweltschadensgesetz harrt der Anwendung“. Dr. Gassner war viele Jahre Ministerialrat im Bundesumweltministerium. Klicken Sie bitte hier, wenn Sie den Beitrag lesen möchten.

Nun sollte statt einer nahenden – um neue Mitglieder bemühten – „Stunde der Gartenvögel“ den Netzbetreibern eine ganz andere Stunde schlagen: nämlich eine Zeit verstärkter Thematisierung und rechtlicher Bewältigung der Verluste, die an den Zigtausenden nach wie vor hochgefährlichen Masten den nach dem harten Winter dezimierten europäischen Vogelarten drohen und zumeist nur vom Fuchs entdeckt werden. Was für ein wichtiges Betätigungsfeld für die Naturschutzorganisationen, die sich allerdings eher für den Ausbau der Windenergiewirtschaft einspannen lassen als sich einzusetzen für die Durchsetzung einer nicht eingelösten energiewirtschaftlichen Selbstverständlichkeit. Tatsächlich scheint keine der großen Naturschutzorganisationen zu „Vor-Ort-Kontrollen“ oder repräsentativen Stichproben in der Lage zu sein. Was könnte erreicht werden, würde sich nur in jedem Bundesland eine Handvoll Fachleute finden, die solche Kontrollen bundesweit koordiniert durchführen, gezielt nach Stromopfern suchen, die Ergebnisse zu politisieren und rechtliche Schritte einzuleiten verstünden? Trotz der Vielzahl hauptamtlicher und nach Tarifen des öffentlichen Dienstes bezahlter Mitarbeiter warten die Vögel auf solche Aktionen vergebens. Die beiden größten Naturschutzverbände – NABU und BUND – zählen zusammen nach eigenen Angaben rund eine Million Mitglieder.

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