NDR-Reportage: „Gänsekrieg in Ostfriesland“- mehr Ente als Gans

Screenshot (Bildzitat), NDR-Gänsekrieg

NDR-Reportage: „Gänsekrieg in Ostfriesland“- mehr Ente als Gans, Schädlingsbekämpfer oder Jäger?

von Manfred Knake

Im November 2012 drehte der Regisseur und Autor Lutz Wetzel der Magnum Mediaproduktion für den NDR-Sendeplatz „N3 Reportage“ einen Fernsehfilm von 30 Minuten Länge. Titel der Reportage: Gänsekrieg in Ostfriesland, ausgestrahlt am 15. März 2013. Dazu lud er Eilert Voß und mich schriftlich ein, in dem Beitrag mitzumachen und unsere Sicht der Dinge der Zugvogeljagd in die Kamera zu sprechen. Dieses Angebot nahmen wir gerne an, versprachen wir uns doch eine detaillierte Berichterstattung zu den unglaublichen Vorgängen bei der Wasservogel- und Zugvogeljagd im Naturschutzgebiet „Petkumer Deichvorland“, Teil eines EU-Vogelschutzgebietes. Lutz Wetzel ist selber Jäger, im Mailwechsel versicherte er aber: „Ich stehe der Jagd in vielen Bereichen kritisch gegenüber, vor allem auch den Auswüchsen der Vogeljagd, die mich immer wieder mit Empörung erfüllt.“

Für unsere Teilnahme wurden wir u.a. mit diesen Sätzen geködert: „Es gibt doch sicher jemanden, der ab Herbst auf die Gänse aufpaßt. Das Treiben der Jäger können wir gerne auch mit Infrarot- oder mit versteckter Kamera dokumentieren. Da lasse ich mir was einfallen. Natürlich müssen auch die Landwirte zu Wort kommen und natürlich sollen uns die Jäger erklären, warum sie solch eine in meinen Augen gnadenlose Ballerei veranstalten. Da brauchen wir eine starke Stimme der Gänseschützer.“

Im November 2012 wurde auch in Petkum an der Ems gedreht, was dabei herauskam, war für uns nicht akzeptabel, wir fühlten uns als einsame Querulanten, als „Rentner“ und „Dorfschullehrer“, verwurstet. Und so wurde der Film u.a. auf der NDR-Seite angekündigt:

Die Reportage: Gänsekrieg in Ostfriesland

„Freitag, 15. März 2013, 21:15 bis 21:45 Uhr

Wiederholung am Samstag, 16.03.2013 um 08:30 Uhr

Für die einen ist es ein gewaltiges Naturschauspiel, für die anderen eine Bedrohung: Hunderttausende Wildgänse lassen sich auf der Flucht vor dem eisigen sibirischen Winter an Deutschlands Küsten nieder. Vor 30 Jahren wurden die Vögel noch mit Neugier von den Küstenbewohnern empfangen. Heute sind die großen Schwärme zum Problem geworden. Sie plündern die Felder, verschmutzen sie mit ihrem Kot und zerwühlen das Erdreich. Jetzt haben die Landwirte in Ostfriesland den hungrigen Gänsen den Kampf angesagt, denn die Zahl der Tiere steigt unaufhaltsam. […]“

Nach dieser Ankündigung klingelten bei uns sofort die Alarmglocken. Bemerkenswert in dem Beitrag war dann vor allem das, was nicht gesendet wurde:

* Die von Eilert Voß monierte Gänsejagd und die Dokumentation der „Gänsewacht“ fand in einem EU-Vogelschutzgebiet statt: NSG Petkumer Deichvorland bei Emden, nur 200 Hektar groß. Kein Wort davon.

* Die (eigentlich legale) Wasservogeljagd im Schutzgebiet fand häufig bei Dunkelheit, Schneetreiben oder Nebel statt. Das ist nach der Bundesjagdzeitenverordnung verboten, weil die Arten nicht sicher angesprochen werden können und es zu Abschüssen von nicht jagdbaren Arten kommt. Bei jedem Schuss werden zudem auch andere, nicht dem Jagdrecht unterliegende Watvögel von ihren Ruheplätzen vertrieben. Normalbürger dürfen das Schutzgebiet nicht einmal betreten. Genau das hat Voß dokumentiert. Keine Erwähnung!

Nebeljäger im Naturschutzgebiet „Petkumer Deichvorland“: Hinter der mitgebrachten Plane am Zaun versteckt sich der Jäger beim Gänseanflug. Die Gänsearten kann er aber wegen des Nebels nicht erkennen. Schießen bei diesen Sichtverhältnissen ist aber nach der Bundesjagdzeitenverordnung verboten!

* Auch Fehlabschüsse im Schutzgebiet mit an Gewässern verbotenem Bleischrot wurden von Voß dokumentiert. Auch diese Fotos (Röntgenbilder!) lagen dem Autor und Regisseur Lutz Wetzel auf einer CD vor. Nichts davon wurde gesendet!

Der „nette“ Vorzeige-Kreisjägermeister aus dem LK Leer, Jan-Wilhelm Hilbrands, wurde dagegen bei bestem Licht gezeigt und als guter Artenkenner beschrieben, der dann vor laufender Kamera ein Graugans vom Himmel holte. Die Gans war tatsächlich nicht frischtot, beim Aufheben war die Gans starr. Die Hinterbeine standen waagerecht ab statt herunterzubaumeln. Der Vogel kam also entweder aus der Tiefkühltruhe oder war schon länger tot, bis die Leichenstarre eingesetzt hatte. Das war so geschickt geschnitten (laden der Flinten, zielen, Schuss, Gans fällt), dass der Laie von einem kontinuierlichen Ablauf ausgehen musste.

* Erwähnt wurde zwar, dass sich vor Petkum an der Ems ein Gänseschlafplatz befindet. Nicht erwähnt wurde aber, dass dies der größte in West-Europa bekannte Nonnengansschlafplatz mit bis zu 40.000 Vögeln ist, in einem EU-Vogelschutzgebiet. Nichtjagende „Normalbürger“ dürfen dieses Gebiet aus Artenschutzgründen nicht betreten; Jäger, deren Interessenverband „Landesjägerschaft Niedersachsen “ sogar als „anerkannter Naturschutzverband“ neben dem BUND, NABU oder anderen Verbänden auftritt, darf dort Wasservögel töten und vertreiben.

Nonnengansschlafplatz NSG „Petkumer Deichvorland“

* Ein einziger Schuss (oder eine einzige Person im Schutzgebiet) vertreibt nicht nur diese Vögel auf die angrenzenden Felder der Landwirte, die sich über Gänsefraß und „Verkotung“ beschweren. Es sind zunächst die Landwirte, die auch bei gefrorenem Boden verbotswidrig in wesentlich größerem Umfang tonnenweise Gülle über ihr Grünland versprühen, bis der Boden schwarz ist, sogar bei Schneelagen. Auch das hat Voß dokumentiert. Aber über den Kot der Gänse wurde sich im Film lauthals beklagt. Das offensichtliches propagandistisches Ziel der „betroffenen“ Landwirte: Mehr Geld für die Bauern für den Vertragsnaturschutz ,Motto: Lerne klagen ohne zu leiden.

* Es wurde versucht, Voß` Tätigkeit gegen die Gänsejagd zu marginalisieren, „eine handvoll Leute“ etc.. Im Januar 2012 trafen sich jedoch weit mehr als eine handvoll Wasservogeljagdgegner mit Politikern der Grünen (andere Parteien zeigten bisher kein Interesse) und einem großen Presseaufgebot am NSG Petkumer Deichvorland bei Emden, um das Thema wieder in die Öffentlichkeit zu bringen, und vor allem um darauf hinzuarbeiten, die Jagd auf Wasservögel in Schutzgebieten gesetzlich zu unterbinden. Das ist das Ziel der Gänsewacht, nicht die Marotte eines „Rentners“, wie es im Film rüberkam.

* Die fachliche Position des Ökologischen Jagdverbandes (ÖJV) gegen die Wasservogeljagd in Schutzgebieten, von einem Forstdirektor i.R. Ganz nüchtern in die Kamera gesprochen, wurde weggeschnitten und nicht gesendet.

Dreharbeiten zum „Gänsekrieg“: Forstdirektor i.R. Jürgen Oppermann vor dem Interview. Der Autor Lutz Wetzel geht rechts aus dem Bild.

* Dankbar darf man Herr Wetzel allerdings für die ausführliche Darstellung der „Goose Busters“ aus Butjadingen im LK Wesermarsch sein, die halb eingegraben aus der Deckung auf Gänse schossen. Diese Flinten-Guerilleros in ihren Tarnanzügen haben der Jägerschaft einen Bärendienst erwiesen. Genau wie die „Crow Busters“ sind diese Schießer-Typen die lebendige Perversion der Jagd. Diese „Waidmänner“ führen sich auf wie Schädlingsbekämpfer, bar jeden Respekts vor wildlebenden Vögeln. Aber auch diese „Jäger“ dürfen sich „anerkannte Naturschützer“ nennen.

* Am Schluss des Films wurde im Beisein des Kreisjägermeisters des LK Leer, der im Film als netter Gänsejäger rüberkam, in einem Restaurant in geselliger Runde Gänsebraten verspeist. Es ist davon auszugehen dass der Filmautor und das Kamerateam mit eingeladen waren, da kommt dann richtig Nähe auf…

Der besagte gänsespeisende Kreisjägermeister war übrigens 2004 federführend bei der völlig unsinnigen Massentötung von Krähen mit Großfallen im LK Leer beteiligt, bei der Krähen zu abertausenden „wissenschaftlich“ erschlagen wurden. Das Projekt der Tierärztlichen Hochschule in Hannover wurde schließlich nach massiven Protesten eingestellt.

Entlarvend auch, wie der Film von der geneigten Hobbyjägerschaft aufgenommen wurde: Im Forum „Landlive.de“  (was wohl in Verballhornung und der nur rudimentären Kenntnis der englischen Sprache der Forumsbetreiber richtig „Country Life“ heißen müsste) und im notorischen Forum der Jagdzeitung „Wild und Hund“ bekommt der Filmautor Lutz Wetzel Jägerbeifall, Eilert Voß allerdings wird wie gewohnt niedergemacht. Für fachliche Kompetenz bürgen diese Schreiber mit dem „grünen Abitur“ und dem eingeschränkten Tunnelblick über die Flintenlaufschiene allerdings nicht.

Fazit: Dies war im Wesentlichen ein interessengeleiteter Film vom Jäger für Jäger, der mehr zum Thema verschwieg als zur Lösung des oft auch nur vermeintlichen Konflikt Substanzielles beizutragen.

Und nun der kaum zu glaubende Höhepunkt mit der teuren Nachwirkung zum Film:

Nach den Filmaufnahmen bekam Eilert Voß Post von der Stadt Emden, die sich auf den Film bezog:  Im Film gibt es eine  Szene, in der Voß mit Gänsejägern diskutierte und deutlich zu machen versuchte, dass ein Schuss sämtliche Vögel vom Schlafplatz im angrenzenden Schutzgebiet vertreibt. Die unkenntlich gemachten Jäger in dieser Sequenz reden mit  ihm, packen schließlich ein und gehen. Während diese Szene gedreht wurde, sprang ein völlig unbeteiligter Mann mit Brille aus einem Auto, stellte sich sehr dicht vor Voß auf und fotografierte ihn gegen seinen Willen aus nächster Nähe. Von einem nicht erkennbaren Mann in einer dunklen Jacke und übergestülpter Kapuze wurde der unbekannte Fotograf weggerempelt. Diese Szene wurde gesendet. Es entstand so der Eindruck, Gänsewächter würden handgreiflich werden. Nach der Befragung von Anwesenden soll der Rempler der Filmautor selbst gewesen sein. War das eine Inszenierung?

Voß bekam wegen dieser kurzen Szene ausgerechnet am Tag der Filmausstrahlung einen Bußgeldbescheid von der Stadt Emden über 273,50 Euro wegen Jagdstörung, obwohl dies deutlich erkennbar ein Teil des Filmsets war! Ob der Filmautor und der Kameramann ebenfalls einen Bußgeldbescheid bekamen, ist nicht bekannt, ebenfalls nicht, ob der NDR gegen den Versuch, Voß wieder einmal mundtot zu machen, vorgehen wird. Es darf nicht sein, dass ein Mitwirkender in einem Film einer öffentlich-rechtlichen Rundfaunkanstalt ordnungsrechtlich wegen so einer Lapalie für seinen Einsatz bestraft wird! Umgekehrt war die Stadt Emden seinerzeit den Anzeigen des Wattenrates gegen die dokumentierten Jagdverstöße im Schutzgebiet nicht nachgegangen. Also wieder einmal das alte Spiel: Vor der Kamera die netten Jungs in lodengrün, und hintenrum wieder der Versuch, Voß zum Schweigen zu bringen, mit Hilfe einer Behörde, die bei dokumentierten und angezeigten Jagdverstößen nie tätig geworden ist.

Link: http://www.wattenrat.de/tag/wasservogeljagd/

#edit 10. Mai 2013: Nach schriftlicher Darstellung des NDR- Progammdirektors Frank Beckmann vom 06. Mai 2013 als Antwort auf ein Wattenratschreiben 22. April 2013 wird bestätigt, dass der Filmautor selbst handgreiflich wurde. Zitat Beckmann: „Diesen Unbekannten hat der Autor des Films nach eigenen Angaben vom Teamfahrzeug weggedrängt, als der den Eindruck hatte, der Mann wolle die Ausrüstung beschädigen oder entwenden“ Ziatende. Nur darf man sich fragen, warum Herr Wetzel nicht eine Halterfeststellung des Fahrzeuges des Unbekannten vornehmen ließ, wenn er denn so besorgt um seine Ausrüstung war. Immerhin hat dieser Mann doch auch die Filmaufnahmen erheblich gestört. War auch das eine Inszenierung, um Aggressionen zu provozieren und die Gänsewächter damit als aggressive Zeitgenossen darzustellen? Fazit: Ein Machwerk für das öffentlich-rechtliche Fernsehen!

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