Mysteriöses Schweinswal-Sterben in der Nordsee, warum?

Toter Schweinswal, angespült am 28. Juni 2012 bei Jarßum, Ems/Niedersachsen

In diesem Sommer wurden bemerkenswert viele tote Schweinswale in Schleswig-Holstein angetrieben. Wie viele waren es in Niedersachsen, den Niederlanden oder in Dänemark? Ein Sprecher des Nationalparkamtes in Töning wird in der Tagespresse so zitiert: „«Wir gehen davon aus, dass die Schweinswale nicht vor Schleswig-Holsteins Küste gestorben sind, sondern nur angetrieben wurden» Sie kamen vermutlich mit der Meeresströmung heran, die von den Niederlanden vorbei an Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach Dänemark läuft.“ Es ist aber zunächst wohl auch interessant zu erfahren, WORAN sie gestorben sind. Die Forderung nach einer gründlichen Untersuchungen der Ursachen des Phänomens fehlt!

Grafik: EWE/Presse

Offshore-Windturbinenfeld „Riffgat“: Fundamente, Foto: EWE/Presse

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ob das Schweinswalsterben mit den Rammarbeiten für einen Offshore-Windpark zusammenhängt, ist nicht bekannt. Im Frühjahr 2012 wurden in der Nordsee vor Borkum 23.000t Stahl für 30 Windkraftanlagen des Offshore-Feldes „Riffgat“ des Energieversorgers EWE  mit erheblicher Lärmeinwirkung verbaut, dabei entstanden nach Zeitungsmeldungen Lärmwerte von bis zu 160 Dezibel, das ist lauter als der Schussknall eines Infanteriegewehrs in 1m Entfernung! Lärm dieser Größenordnung mit zusätzlich belastender hämmernder Impulshaltigkeit trägt unter Wasser sehr weit. Lärm in dieser Höhe und Dauer bedeutet einen erheblichen Stressfaktor für Meeressäuger und kann zum akustischen Trauma mit  physiologischen Erschöpfungszuständen, Beeinträchtigung des Gehörs und  Zerstörung der Sinneszellen mit anschließendem Abbau der Nervenzellen führen. Ob die Kadaver der Schweinswale auf  diese Schäden untersucht wurden, ist nicht bekannt. Bereits im Juni 201o wurde in der Presse von Schweinswalschädigungen durch den Bau des Windparks „alpha ventus“ berichtet.

Auch mit Seehunden wird nicht zimperlich umgegangen: Im Juni 2012 wurde nach Offshore-Kabelverlegungsarbeiten eine 500kg-Luftmine aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, an die Kachelotplate bei Memmert geschleppt und dort unter Wasser an der Sandbank gesprengt. Die Kachelotplate ist ein bekannter Liege- und Wurfplatz von Seehunden und Kegelrobben. Die Alt- und Jungtiere wurden vor der Sprengung von der Sandbank ins Wasser gescheucht! Die Presse berichtete beruhigend, aber wenig plausibel, dass die Tiere dies unbeschadet überstanden hätten. Von den „anerkannten“ Naturschutzverbänden kam keine Reaktion!

Bemerkenswert auch, dass das Schweinswalsterben, obwohl seit Monaten bekannt, erst jetzt, nach der Hauptsaison, das Licht der Öffentlichkeit erblickt. In der Vegangenheit kam es schon zu massenhaften Eiderentensterben, das zunächst von den Behörden vertuscht wurde. Auch eine großflächige Ölverschmutzung auf Borkum und anderen Inseln kam nur zufällig durch den Wattenrat ans Tageslicht und wurde in der Presse nie erwähnt. Das erste Seehundsterben 1988 wurde ebenfalls nur zögerlich auf den Inseln bekanntgegeben, die Kadaver wurden damals zunächst klammheimlich vergraben; tote Tiere im Watt und in der Nordsee sind schlecht fürs Tourismusgeschäft.

Links:

* Die Auswirkungen von Lärm auf Meeressäuger – Eine unterschätzte Gefahr

* Pressemitteilung riffgat.de, 06. Sept. 2012: Fundamente für Offshore-Windpark „Riffgat“ stehen

* Spiegel-online, 23. Jan. 2011: Windpark-Boom bedroht Schweinswale

Zitat daraus: „Am drängendsten ist das Problem beim Windpark „Bard Offshore 1“, der 90 Kilometer nordwestlich der Nordseeinsel Borkum entsteht. 15 riesige Windräder auf jeweils drei Beinen stehen dort bereits im Meer. Projektmanagerin und Biologin Susanne Schorcht räumt ein: „Bei den Bauarbeiten haben wir Lärmwerte von 178 Dezibel (dB) SEL im Abstand von 750 Metern gemessen.“ Der Grenzwert des Umweltbundesamtes aber erlaubt nur 160 dB SEL, wobei SEL für „Schallexpositionspegel“ steht.“

Anmerkung Wattenrat: Längere Schallexpositionen dieser Größenordnung können zu dauerndem Gehörverlust bei Meeressäugern führen und damit die Orientierung und Nahrungsaufnahme verhindern!

* Deutscher Bundestag, 20. Juli 2010: Auswirkungen des Baus von Offshore-Windparks auf Schweinswalpopulationen

Die Welt, online, 13. Sept. 2012

Mysteriöses Schweinswal-Sterben in der Nordsee

Tönning (dpa/lno) – Naturschützer haben ein mysteriöses Schweinswal-Sterben in der Nordsee beobachtet. «In diesem Sommer wurden auffällig viele tote Schweinswale gefunden», sagte Thomas Borchardt vom Nationalparkamt im nordfriesischen Tönning. Allein auf der Vogelinsel Trischen wurden in den vergangenen Wochen elf tote Schweinswale angetrieben, sagte NABU-Vogelwart Moritz Mercker. Auch auf Helgoland und Sylt sowie auf der Halbinsel Eiderstedt wurden ungewöhnlich viele Kadaver gefunden. […]

Ostfriesen Zeitung, 07. Sept. 2012

 BORKUM / DPA/OZ – Die 30 Fundamente des neuen Offshore-Windparks „Riffgat“ in der Nordsee stehen. Das Baufeld vor der Insel Borkum sei damit für die Ankunft der Windkraftanlagen im Früh­jahr 2013 vorbereitet, erklärte das Energieunternehmen EWE gestern in Oldenburg. Jeder der leuchtend gelben Gründungspfähle ist bis zu 70 Meter lang, rund 750 Ton­nen schwer und wurde 40 Meter tief in den Meeres­grund getrieben. […] Beim Setzen der Fundamente kam laut EWE innovative Technologie zum Schutz der Umwelt zum Ein­satz: So wurde der beim Rammen der Gründungs­pfähle entstehende Schall erstmals im kommerziellen Einsatz mit einer doppelwandigen, röhrenförmigen Schall-Sperrwand aus Stahl gedämpft. Dabei sei einWert von 160 Dezibel unterschrit­ten worden, berichtete Wil­fried Hube.

#edit 17. Sept. 2012: Der Wattenrat weist auf die nachstehende Fachtagung am 25./26.09.2012 in Berlin hin:

„Zwischen Naturschutz und Energiewende – Herausforderung Schallschutz beim Bau von Offshore-Windparks“

Die Fachtagung wird ausgerichtet von der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH), ausgerechnet die Deutsche Umwelthilfe, die als Pressuregroup für die Nutzung der Windenergie bekannt ist. Bis Ende 2011 war Reiner Baake Geschäftsführer der DUH, früher beamteter Staatssekretär im Bundesumweltministerium (BMU) unter Minister Trittin. Zitat von der DUH-WebSeite: „Unter dem früheren beamteten Staatssekretär im Bundesumweltministerium (BMU), Rainer Baake, hat sich die DUH insbesondere in der Energie- und Klimapolitik zu einem der kompetentesten Ideengeber der Politik in Bund und Ländern entwickelt.“ [sic!]

Der „Leiter Erneuerbare Energien“ bei der DUH ist Dr. Peter Ahmels, früher Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE).

#edit 19. Januar 2013:

Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer

18.01.2013

In den vergangenen Tagen sind im Jadebusen an mehreren Stellen tote Schweinswale aufgefunden worden. Die Nationalparkverwaltung möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Todesursache der Tiere untersucht werden soll, soweit diese noch untersuchungsfähig sind. […]

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