Aus dem medialen Sommerloch kommt die Meldung, dass sich der Landesfischereiverband Schleswig-Holstein, unterstützt vom Landesjagdverband Schleswig-Holstein, für einen Abschuss von Seehunden ausgesprochen hat. Der Bestand sei „zu groß“ und „15 000 Seehunde in Deutschland reichten“, meinte der Fischereifunktionär Marckwardt. Das Problem ist aber nicht der Seehund, sondern die Industriefischerei. Der Seehund wurde durch die gnadenlose Jagd als Konkurrent der Fischerei schon einmal im Wattenmeer fast ausgerottet, erst Anfang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die Jagd in Deutschland eingestellt. Danach erholten sich die Bestände und wurden durch ein eingeschlepptes Staupevirus 1988 und erneut 2002 erheblich dezimiert. Der Landesfischereiverband Schleswig-Holstein hat nichts dazugelernt, Scheuklappenfunktionäre propagieren ohne ein Fünkchen Vernunft und Wissen Argumente des 19. Jahrhunderts, und das in einem „Weltnaturerbe“. Die Industriefischerei entnimmt nur „Ware“ aus dem Meer, einschließlich der gewaltigen Beifangmengen, die überwiegend tot wieder über Bord gehen, ohne etwas für den Bestandserhalt zu tun.
Der Seehundbestand war zu Beginn des 20. Jahrhundert nach dem niederländischen Wissenschaftler Reijnders noch wesentlich höher als heute mit ca. 24.0000 Tieren im gesamten Wattenmeer. Nach seinen Berechnungen lag der Bestand um 1900 bei 37.000 Tieren im internationalen Wattenmeer (und da gab es auch noch bis in die Flussmündungen Schweinswale zuhauf!). Niedersachsens Fischer lehnen die Seehundjagd indes ab, aus „Imagegründen“ für die Jäger und Fischer. Aber auch deren Funktionäre gehen davon aus, das Seehunde „zu viel Fisch fressen“. Wer hätte das gedacht! Mit Pommes oder Spaghetti werden Seehunde kaum satt werden.
Fischereifunktionär Marckward sogar sich sogar um den „schönen Anblick“ der Strände bei einem evtl. weiteren Seehundsterben: „Sollten viele Kadaver am Strand liegen, sei das auch kein schöner Anblick für die Touristen, meint Marckwardt. Das gibt kein gutes Bild ab“, zitiert in Die Welt.
Der Landesjagdverband Niedersachsen wird sich hüten, die Wiedereinführung der Jagd zu propagieren, betreibt er doch imagefördernd die Seehundaufzuchtstation in Norden-Norddeich, in der gefundene gesunde Heuler aufgepäppelt und später wieder ausgewildert werden. Die Station ist ein Tourismusmagnet und ein erheblicher Wirtschaftsfaktor der Region. Wissenschaftlich ist die Seehundaufzucht aber umstritten und wird zur Arterhaltung oder aus Naturschutzgründen als nicht notwendig angesehen.
Link: Der Seehund als Ware
dpa, 24. Juli 2012:
Landesfischereiverband fordert Abschuss von Seehunden
Kiel (dpa/lno) – Der Landesfischereiverband Schleswig-Holstein hat sich für einen Abschuss von Seehunden ausgesprochen. Der Bestand sei derzeit viel zu groß, sagte der Vorsitzende Lorenz Marckwardt am Dienstag. […] 15 000 Seehunde in Deutschland reichten, betonte Marckwardt. […]
dpa, 25. Juli 2012:
Seehundjagd kein Thema für Niedersachsens Fischer
Wilhelmshaven (dpa/lni) – Die niedersächsischen Fischer sind auf Distanz zur Forderung ihrer Kollegen in Schleswig-Holstein nach Wiedereinführung der Seehundjagd gegangen. «Das gäbe ein schlechtes Image für die Jäger, die Fischer und den Nationalpark», sagte am Mittwoch Präsident Dirk Sander vom Landesfischereiverband Weser-Ems. Es gebe jedoch zu viele Seehunde, die zu viel Fisch fressen würden. […] Für die Naturschützer vom Wattenrat in Ostfriesland ist nicht der Seehund das Problem, sondern die industrielle Fischerei. Wie viele Seehunde im Watt sein dürften, könne niemand seriös sagen.
Die Welt, online, 25. Juli 2012:
[… ] Nach Ansicht des Landesjagdverbandes [Schleswig-Holstein] könnte der Abschuss von Seehunden verhindern, dass sich wieder ein verheerendes Staupevirus ausbreitet. „Je größer der Bestand, desto größer die Gefahr, dass eine Seuche ausbricht“, sagte Geschäftsführer Andreas Schober. Sollten viele Kadaver am Strand liegen, sei das auch kein schöner Anblick für die Touristen, meint Marckwardt. „Das gibt kein gutes Bild ab.“ […]