Kitesurfer in Schutzgebieten stören keine Vögel, sagen jedenfalls die Kiter. Die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven sieht jedoch sehr wohl „erhebliches“ Störungspotenzial, genehmigte aber trotzdem viele Flächen ausgerechnet in den eigentlich dafür verbotenen Zwischenzonen des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer („Weltnaturerbe“) von Cuxhaven bis Emden und sieht das gar als „Lösung“ des Konfliktes an. Das ständige Auf und Ab der sich schnell bewegenden Drachensegel, verbunden mit Sprüngen und rasanten Wendungen der Kitesurfer, machen diese Sportgeräte für störungsempfindliche Vogelarten völlig unberechenbar, sie fliehen weiträumig, oft völlig unbemerkt von den Wassersportlern.
Nur gelten die Störungen eben nicht für alle Vogelarten des Wattenmeeres: Großmöwen wie Silber- oder Heringsmöwen lassen sich kaum von den Kitesegeln beeindrucken, in Grenzen ebenso die bekannten bunten Austernfischer. Die auch bei den Kitern weniger oder gar völlig unbekannten Arten wie Große Brachvögel oder die unscheinbaren Alpenstrandläufer reagieren aber auf hunderte Meter mit Flucht.
Im Sommer fliegen Brandenten z.B. gar nicht vom Wasser auf, weil sie durch die Schwingenmauser flugunfähig sind. Sie führen aber gerade in dieser Zeit ebenfalls flugunfähige Jungvögel, die im Wasser leicht übersehen und dann überfahren werden können. Die Flugunfähigkeit der Brandenten wird von den Kitern als Indiz der Vertrautheit der Tiere mit dem Sport missdeutet. In der Presse liest man dann oft von der vorgeblichen Unbedenklichkeit des Kitesports für die Vögel, was sich nur mit völlig unzureichender Recherche und der ebenso unzureichenden Artenkenntnis der Redakteure erklären lässt.
Die Drachenverbote nach §§ 6 und 12 des Nationalparkgesetzes umging die Nationalparkverwaltung mit einem Trick: Mit „Befreiungen“ wurden die Kitesurfflächen zugelassen, obwohl die Voraussetzungen für die Befreiungen gar nicht vorliegen: Die Ausübung des Kitesports im Großschutzgebiet Nationalpark liegt nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse, das Verbot führt nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Kiter, und die Ausübung des Kitesport im Nationalpak ist nicht mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar (vgl. § 67 Bundesnaturschutzgesetz).
Die Nationalparkverwaltung kann aber nur solange das Recht beugen, bis ein „anerkannter“ Naturschutzverband diese fragwürdigen Genehmigungen gerichtlich prüfen lässt. 14 „anerkannte“ Naturschutzverbände gibt es in Niedersachsen; nur zwei (BUND und NABU) haben sich bisher kritisch öffentlich zu den Kitesurfern im Wattenmeer geäußert, aber den ihnen offenstehenden Rechtsweg über das Verbandsklagerecht nicht wahrgenommen. 12 „anerkannte“ Naturschutzverbände blieben stumm, das Schweigen im Watt geht weiter.