Regenpfeifer: die letzten ihrer Art im „Weltnaturerbe“

Austernfischer (l.) und Sandregenpfeifer im Brutgebiet (r.) an der Leybucht

Sand- und Seeregenpfeifer waren ehemals häufig anzutreffende Brutvögel an der Wattenküste. Das ist vorbei, inzwischen sind sie in Deutschland akut vom Aussterben bedroht, obwohl es ausreichend geeignete Brutareale z.B.  im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und „Weltnaturerbe“ gibt. Diese beide Regenpfeiferarten brüten auf vegetationslosen Flächen und Stränden. Dort kann es zu Gelegeverlusten durch Hochwasser und Prädatoren kommen, aber gerade dort brummt auch der Massentourismus und lässt auch bei sonst guten Brutbedingungen durch vielfältige Störungen durch ahnungslose Touristenlegionen mit oder ohne Hund oder Lenkdrachen kaum Bruterfolge dieser unscheinbaren Arten zu.

Die „Roten Listen“, die Sterberegister vieler Tier- und Pflanzenarten, melden dann auch für 2005 (neuere Zahlen liegen uns nicht vor) bundesweit noch 900 Sandregenpfeifer-Brutpaare, in Niedersachsen waren es gerade mal 150; für den Seeregenpfeifer sieht es noch dramatischer aus: 2005 gab es in der BRD nur 180 Brutpaare, in Niedersachsen nur 20! Und das ist inzwischen auch schon 7 Jahre her. Die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven bemüht sich zwar, die letzten Brutpaare an ihren Nistplätzen vor Störungen zu schützen, aber das gelingt durch den touristischen Massenansturm an die Küste kaum. Lediglich 6 hauptamtliche Ranger auf den Inseln und Cuxhaven, ohne Kompetenzen und Einsatzfahrzeuge, sind nicht annähernd in der Lage, dem Naturschutzgesetz zur Geltung zu verhelfen. Auch mutwillige Störungen mit der Zerstörung von Absperrungen  für ein kleines Brutvorkommen des Sandregenpfeifers an der Leybucht wurden schon im Nationalpark dokumentiert. So bleibt es bei hilflosen Appellen, die den bedrohten Arten in ihren Schutzgebieten kaum helfen werden.  Die Einrichtung eines Nationalparks 1986 hat es also nicht vermocht, den dramatischen Artenschwund nicht nur bei den Regenpfeifern zu stoppen, auch Brutvögel wie Uferschnepfen, Rotschenkel oder Kiebitze sind rar geworden. Das liegt an der industrialisierten Landwirtschaft, die bereits im März und April Flächen walzt und schon im frühen Mai die Brutflächen flächendeckend zur Silagegrasgewinnung abmäht. Dazu kommt der Verlust von Feuchtgrünland durch die Umwandlung in Ackerland. Der Zustand vieler Salzwiesen vor den Deichen ist desolat, die häufig durch die starke Entwässerung und Aufgabe der Beweidung völlig mit Quecke zugewuchert und so für Brutvögel wenig attraktiv sind. Der „stumme Frühling“ ist an der Küste längst unüberhörbare Wirklichkeit geworden. Das Beunruhigende: Dieser Zustand wird heute schon von vielen Zeitgenossen als „normal“ angesehen!

Dafür ist der Tourismus explodiert: Von Cuxhaven bis Emden geht die jährlich Übernachtungsrate im und am Nationalpark auf die 40 Millionen zu. Der Nationalpark wurde systematisch zum Freizeitpark entwickelt, beworben als „Weltnaturerbe“, zu Lasten vieler bedrohter Tierarten. Nur ist es leichter, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf bedrohte Gorillas im fernen Afrika oder Orang-Utans in Südostasien zu lenken und damit die Spendenaktionen anzuwerfen, die aber im Wesentlichen nur den großen Naturschutzorganisationen nützen. Die unscheinbaren Regenpfeifer vor unserer Haustür sterben weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit aus.

Rastende Sandregenpfeifer auf dem Zuge, Überwinterungsgebiet Südeuropa und Afrika

Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, 07. Mai 2012

Umleitung für die Regenpfeifer

Die zeitweise Sperrung eines Wegeabschnitts an der Krummhörner Küste bedeutet einen kleinen Umweg für die Menschen, aber einen großen Gewinn für bedrohte Strandbrüter.

Die Krummhörn ist ein sehr bedeutsames Brutgebiet für Sandregenpfeifer und andere Strandbrüter. Hier finden die bedrohten Vögel geeignete Brutplätze. Die Sandregenpfeifer brüten nahe der Wattkante im direkten Umfeld des Betondammes, der auch als Wanderweg dient. Wichtig ist, dass die Kinderstuben der empfindlichen Tiere auch frei von Störungen sind. Um den Regenpfeifern ein ungestörtes Brutgeschäft zu ermöglichen, haben die Nationalparkverwaltung und die Gemeinde Krummhörn ein etwa vier Kilometer langes Teilstück zwischen Hamswehrum und Dyksterkrug während der Brutzeit vom 1. Mai bis zum 15. August gesperrt.

Fußgänger und Radfahrer können – über eine Umleitung – ihren Weg problemlos nach Norden oder Süden fortsetzen. Die Krummhörner Küste zwischen Greetsiel und Upleward bleibt also auf ganzer Länge erlebbar. Die Gemeinde und die Nationalparkverwaltung hoffen auf das Verständnis und die Mithilfe von Einheimischen und Gästen, wenn es um den Schutz der heimischen Natur geht. Gundolf Reichert, Brutvogel-Experte bei der Nationalparkverwaltung, bringt es auf den Punkt: „Die zeitweise Sperrung des Wegeabschnittes bedeutet einen kleinen Umweg für uns Menschen, aber einen großen Gewinn für unsere Regenpfeifer“. Der Sandregenpfeifer brütet in Deutschland fast ausschließlich auf Stränden und an der Küste. Diese Art ist im Bestand sehr stark gefährdet. Während der Brutzeit sind die Vögel außerordentlich störungsempfindlich. Kommen Menschen zu nahe, verlassen die Elternvögel das Nest. Bis sie zurückkehren, sind Eier oder Küken ohne Schutz. Jede einzelne Störung mindert die Chance, den Nachwuchs erfolgreich groß zu ziehen. Bleibt z.B. das Gelege innerhalb der vierwöchigen Bebrütungszeit nur eine halbe Stunde der vollen Sonne ausgesetzt, können sich die Eier überhitzen und die Embryonen absterben.

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