Während in diesen Tagen in Ostftriesland schon Fußballspiele wegen des dichten Nebels abgesagt und mehrere Boßlergruppen durch die Polizei von den Straßen geholt wurden, hält das Wasservogeljäger nicht von ihrem Hobby ab, bei völlig unsichtigem Wetter auf Gänse zu schießen, die sich bei dieser Sicht nicht nach Arten mit Jagdzeiten und Arten ohne Jagdzeiten unterscheiden können; das produziert strafbare Schonzeitvergehen!
An der Ems kann man täglich schon frühmorgens und bei dichtem Nebel die Schrotschussfolgen deutlich hören.
Und die Sonne bringt dann die „Kollateralschäden“ an den Tag. Die “Gänsewacht“ hat bereits mehrere Bilder zu Verfügung gestellt, auf denen man deutlich noch lebende Vögel mit Flügelverletzungen erkennen kann. Starkwind gab es in den letzten Tagen nicht, also kann man Drahtanflugverletzungen ausschließen. Verletzte Tiere findet man immer nach vorher stattgefundener Jagd an der Ems. ES sind also keine „Einzelfälle“, wie von Jägern gerne behauptet wird!
Aber nicht nur Gänse sind bei dieser Art der Jagdausübung stark gefährdet, auch besonders geschützte Watvogelarten können so leicht ins Schrotfeuer geraten, wenn sie plötzlich aus dem Nebel auftauchen.
Inzwischen wurde Anzeige gegen die Jäger der Nebeljagd am 10. November 2011 im Naturschutzgebiet „Petkumer Deichvorland“ wegen eines Schonzeitvergehens erstattet. Die Polizeiinspektion Emden-Leer hat angekündigt, „die erforderlichen Ermittlungen mit größtmöglicher Neutralität und Objektivität zu führen“; der Ermittlungsbeamte ist kein Jäger.
Position des DJV (Deutscher Jagdschutz-Verband)
Waidgerechtigkeit
[…] So darf die technische Machbarkeit auch ohne ausdrückliches Verbot niemals dazu führen, dass die Jagd zum reinen Schießen auf lebende Ziele verkommt. Würde z.B. Wild beschossen, das nicht vorher angesprochen, d.h. vom Schützen erkannt und beurteilt wurde, so wäre eine ungeschriebene Regel der Waidgerechtigkeit verletzt, auch wenn das Stück mit einem sauberen Schuss getroffen worden wäre und sich die Erlegung als sachgerecht erwiese. Denn unter dem Tierschutz- bzw. Umweltaspekt ist das Ansprechen unabdingbare Voraussetzung für die ordnungsgemäße Ausübung der Jagd.
Erhebliche Verstöße gegen geschriebene oder ungeschriebene Regeln der Waidgerechtigkeit sind keine “Kavaliersdelikte”. Sie sollten deshalb dem Jagdverband und der zuständigen Jagdbehörde zur Kenntnis gebracht werden, damit die erforderlichen Schritte eingeleitet werden können, um Wiederholungen auszuschließen. Seitens des Jagdverbandes sind vereinsrechtliche Schritte, behördlicherseits Maßnahmen bis hin zur Entziehung des Jagdscheins (§§ 17 Abs. 2 Nr. 4, 18 Satz 1 BJG) zu prüfen.[…]
Praxis und politische Theorie der Gänsejagd in Niedersachsen:
Präsident der Landesjägerschaft und CDU-Landtagsabgeordneter Helmut Dammann-Tamke in einem Schreiben vom 12. August 2008 an die Hegeringleiter in Niedersachsen:
„[…] Wie Sie sicherlich bemerkt haben, ist die Einführung der neuen Jagdzeiten [auf Gänse] nicht kritiklos erfolgt. Bereits jetzt liegen schon Videoaufnahmen vor, die Verfehlungen von Jägern dokumentieren. … Es ist davon auszugehen, dass die Kritiker auch in Niedersachsen nach Belegen dafür suchen, dass ihre Kritik berechtigt ist. … Ich bitte Sie herzlich darum, allen Jägern noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass man fliegende Gänse nur dann mit Schrot beschießt, wenn man ihre Augen sehen kann. Kritiker vermuten weiterhin, dass verletzte Gänse sich länger quälen würden, weil nicht gut genug nachgesucht würde. […]Hans-Heinrich Ehlen (CDU), damaliger Landwirtschaftsminister und Jäger in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen betr. die Debatte:
Grausame Gänsejagd – Werden nun Naturschützer bedroht? Niedersächsischer Landtag – 16. Wahlperiode – 25. Plenarsitzung am 11. Dezember 2008:
„[…] Im Zuge einer Landtagseingabe des Arbeitskreises Feuchtwiesenschutz ist eine DVD mit Jagdszenen aus Mecklenburg-Vorpommern übersandt worden, die teilweise rechtswidrige Jagdausübung auf Gänse zeigt. Damit sich Ähnliches nicht auch in Niedersachsen ereignet, hat die Landesregierung über Dienstbesprechungen die Jagdbehörden aufgefordert, Verfehlungen nicht tierschutz- und waidgerechter Jagdausübung, sofern es derartige Fälle in Niedersachsen geben sollte, rechtlich zu ahnden. […]
Trotz mehrerer Anzeigen haben bisher weder die Stadt Emden, die stets in Kenntnis gesetzte Polizei noch das Land Niedersachsen die an der Ems dokumentierten Jagdverstöße verfolgt, der Deutsche Jagdschutzverband oder der Präsident der Landesjägerschaft in Niedersachsen haben auf die schriftlichen Hinweise des Wattenrates überhaupt nicht reagiert! Es drängt sich der Eindruck auf, dass es sich bei den organisierten Jägern um ein geschlossenes, sich selbst regulierendes Syndikat oder Kartell handelt, das berechtigte Angiffe von außerhalb meistens erfolgreich bis zur Rechtsbeugung niederschlagen kann. Siehe auch: Nebeljagd auf Gänse an der Ems: “Jagd unterliegt keiner Behördenaufsicht”
Nicht nur für Jäger, zum Lesen empfohlen:
Barthel/Frede: Die Bestimmung von Gänsen der Gattung Anser, aus: Limicola, Zeitschrift für Feldornithologie, 1/1989