So langsam nähert sich die Tourismussaison dem Ende, es wird ruhiger im und am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, bis Weihnachten, wenn der Ansturm erneut einsetzt. Die Massen, die jährlich die Küste besuchen, machen auch da Urlaub, wo es oft schon „besetzt“ ist, und zwar von denen, für die der Nationalpark eigentlich eingerichtet wurde, z.B. für rastende Zugvögel wie diese Ringelgänse aus Sibirien, die hier seit Anfang September durchziehen oder verweilen, bis das Nahrungsangebot erschöpft ist. Die Qualität der Rastgebiete hat vielerorts trotz des Status „Nationalpark“ oder „Weltnaturerbe“ abgenommen.
Viele Salzwiesenbereiche vor den Deichen werden nicht gepflegt und sich selbst überlassen, es gilt immer noch die Doktrin, „Natur Natur sein lassen“ oder nicht in die angeblichen „dynamischen Prozesse“ eingreifen. Das macht der Küstenschutz mit seinem Bauwerken und schwerem Gerät unübersehbar dennoch, auch in den Salzwiesen, die oft durch zu viele Entwässerungsgräben, sog. „Grüppen“, viel zu trocken geworden sind. Das fördert die Überwucherung mit der Strandquecke, und so werden die Flächen als Nahrungshabitate für Gänse unbrauchbar. Dazu kommt der viel zu hohe Bewuchs auf den Salzwiesen, eine moderate extensive Beweidung würde gerade den Gänsen helfen. Hohe, geschlossene Vegetation wird von den Gänsen ohnehin gemieden, hier könnten sich ja Fressfeinde wie der Fuchs verstecken.
So klebt auch auf diesen Flächen das Etikett „Nationalpark“, nur ist der Inhalt stark verbesserungsbedürftig und entspricht nicht dem heilen PR-Bild, das auch die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven von ihm zeichnet. Diese Ringelgänse in Dornumersiel weichen seit Jahren ausgerechnet auf eine Fläche für Lenkdrachenflieger aus, weil ihre ursprünglichen traditionellen Weideflächen zwei Kilometer weiter östlich in der strengsten Ruhezone des Nationalparks inzwischen mit Strandquecke zugewuchert sind. Wenn die Drachenfläche belaufen wird, weichen die Gänse oft zu Fuß aus, und stehen dann beim Äsen dichtgedrängt und ständig sichernd am Rande des Areals. Bis zur Novellierung des Nationalparkgesetzes 2001 war diese Drachenflugfläche in Dornumersiel/LK Aurich Teil des Großschutzgebietes und wurde auf Betreiben der Kommune mit Hilfe der damals SPD-regierten Landesregierung aus dem Nationalpark herausgenommen und der Tourismusnutzung inklusive Parkplatz zugeführt, mit fast 90 anderen Flächen an der niedersächsischen Küste. Auch weiter westlich direkt an der Drachenfläche in der Zwischenzone findet die Rastvögel in der weiten Fläche keine Ruhe, ständig wird ein Weg vom Hauptdeich zum Watt quer durch die Schutzzone belaufen.
Inzwischen wird auch häufig illegal im Watt vor Dornumersiel von Kitesurfern gesurft, Spaziergänger lassen verbotswidrig ihre Hunde in der angrenzenden Zwischenzone des Nationalparks frei laufen, die Beschilderung ist dürftig, eine Aufsicht gibt es nicht, die Flächen sind für den Naturschutz verloren, aber auch in Dornumersiel wird mit dem Prädikat „Weltnaturerbe“ geworben, für noch mehr Touristen. Die Proteste der 14 „anerkannten“ Naturschutzverbände gegen die damalige Gesetzesnovellierung blieben aus oder waren lau, vom möglichen Verbandsklagerecht machte keiner der „Naturschutz“verbände Gebrauch, die EU-Kommission nickte die Verschlechterung dieses EU-Vogelschutz- und FHH-Gebietes durch die Gesetzesnovellierung nach einer Beschwerde des Wattenrates und nach jahrelanger Prüfung ab.
An dieser Stelle bekommt der Begriff „Nationalpark“ also eine ganz neue Bedeutung: Nationalparkplatz, hier auch für Gänse. Ein echter Naturfreund wird das Seezeichen am Ortseingang von Dornumersiel beherzigen und den Ort großräumig umfahren.