„Weltnaturerbe“ Wattenmeer: Niedersächsischer Landtag beschließt weitere Tourismusförderung

Weltnaturerbe Wattenmeeer: Vermarktung im "Strandportal" Bensersiel/LK Wittmund

Eigentlich ist der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer ein Großschutzgebiet für Tiere und Pflanzen, er unterliegt dem Schutzregime der FFH- und EU-Vogelschutzrichtlinie und ist als „Feuchtgebiet internationaler Bedeutung“ von der Ramsar-Konvention geschützt. In Wirklichkeit ist der Nationalpark nur ein Werbeetikett für den Massentourismus, zusätzlich aufgepeppt mit dem Label  „UNESCO- Weltnaturerbe“, das den Touristen „Abenteuer“ verspricht. Am 12. Oktober 2011 beschloss die schwarz-gelbe Regierungsmehrheit im Niedersächsischen Landtag die weitere Förderung des Tourismus am Wattenmeer, zusätzliche Naturschutzmaßnahmen, wie von der SPD und den Bündnisgrünen gefordert, lehnte die CDU/FDP-Koalition ab. Bereits  2010 hatte der Wattenrat auf diesen Etikettenschwindel mit „Naturtourismus“ öffentlich aufmerksam gemacht

Auch vor der Ausweisung des Weltnaturerbes 2009  wurde vom Wattenrat bereits 2008 auf die ausschließliche Vermarkungsstrategie für den Tourismus mit dem Etikett „Weltnaturerbe“ verwiesen. Demgegenüber wurde das Etikett „Weltnaturerebe“ von fast allen Medien und den Naturschutzverbänden schon vor der Ausweisung euphorisch bejubelt. Alle Befürchten des Wattenrates haben sich indes bewahrheitet: Das Weltnaturerbe und der Nationalpark dienen nur noch als Marketinginstrument für die Tourismuswirtschaft. Die inoffiziellen Zahlen: Derzeit gibt es ca. 37 Millionen Tourismus-Übernachtungen pro Jahr in und an der Wattenmeerregion, ein knallharter Massentourismus, garniert mit freilaufenden Hunden, Sportflugzeugen, Sportbooten  und Surfern.

dpa-Bericht von Heiko Lossie, in verschiedenen Tageszeitungen (aber nicht an der ostfriesischen Küste!) ab 02. Sept. 2009

[…] Klingelnde Kassen

Sven Ambrosy, Vorsitzender des Tourismusverbandes Nordsee und SPD- Landrat im Kreis Friesland, tritt das Erbe gerne an: «Unbestritten ist, dass der Weltnaturerbestatus einen wahnsinnigen Werbe- und Imageeffekt hat und unsere Region sich sehr darüber freut. Der Titel wird dazu beitragen, unsere Region insbesondere im Ausland noch bekannter zu machen.» Dass Tourismus und Umweltschutz Gegensätze sein können, hält er für «eine Debatte von vorgestern». Der Fremdenverkehr wisse, dass die Natur seine Lebensgrundlage sei. Allein in Niedersachsen gibt es zwischen Ems und Elbe jährlich 37 Millionen touristische Übernachtungen. Ambrosy hofft auf noch mehr. […]

Die Tiere des Wattenmeeres finden kaum noch ungestörte Flächen. „Kontrolliert“ werden die Menschenmassen im Schutzgebiet von 6 hauptamtlichen Rangern, ohne Kompetenzen, ohne Fahrzeuge, ohne Boote. Ziel der Landesregierung ist die Förderungs des „nachhaltigen Naturtourismus“. Nur: Der muss auf den schon bestehenden  Massentourismus aufgepfropft werden und wird damit weder „nachhaltig“ noch „natürlich“, oder wie man auch gelegentlich noch schwätzt „sanft“. Nachhaltig sind bereits die Störungen in den Rast- und Brutgebieten von Seevögeln oder auch an Seehundliegeplätzen. Zwergseeschwalben, See- und Sandregenpfeifer als Strandbrüter befinden sich in Niedersachsen am Rand des Aussterbens, die Ursache ist eindeutig der Tourismus.

Die niedersächsische Landesregierung ist nicht bereit, irgendwelche Naturschutzverbesserung und angemessene Naturschutzmaßnahmen in diesem Natura-2000-Gebiet durchzuführen. Das Nationalparkgesetz und das Weltnaturerbe sind noch Makulatur. Die Rolle der oppositionellen Sozialdemokraten ist nicht gerade überzeugend: Die SPD stimmte diesmal gegen die Tourismuspläne der Landesregierung und wollte mehr Ranger. Dabei ist es gerade die SPD, die sich in der Vergangenheit für den Ausbau des Massentourismus engagiert hat. Als „herausragende“ Personen sind dabei Sven Ambrosy (SPD), Landrat des Landkreises Friesland und gleichzeitig Multifunktionär in verschiedenen Tourismusverbänden, sowie Walter Theuerkauf, bis September 2011 Landrat des Landkreises Aurich und langjähriger Vorsitzender des Nationalpark-Beirats, zu nennen. Theuerkauf war einer der Motoren zur Änderung des Nationalparkgesetzes von 2001, als ca. 90 Flächen des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer von der damaligen Regierung Sigmar Gabriel (SPD)  in der Zonierung herabgestuft oder aus dem Nationalpark herausgenommen wurden, zur Überführung in die touristische Nutzung. Gabriel war von 2005 bis 2009 gar Bundesumweltminister. Gegen die Gesetzesnovellierung des Nationalparkgesetzes hatte der Wattenrat 2001 Beschwerde bei der EU-Kommision eingelegt, vergeblich. Das Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wurde nach fünf Jahren eingestellt, als Gabriel Bundesminister war. Nicht fachliche Gründe, sondern politische Rücksichtnahmen liegen daher als Einstellungsgrund nahe.

Auch die CDU-FDP-Landesregierung hat nun erneut ihr Unvermögen, ihre Ignoranz und ihre Inkompetenz in Naturschutzfragen bewiesen. Aber wir leben im Jahrzehnt der „Biodiversität“, ebenfalls ausgerufen von der UNESCO, das muss den meisten Parlamentariern entweder egal oder unbekannt sein, oder gar beides. Nur ist dieses wohltönende UNESCO-Etikett auch nur bedrucktes Papier! Und wer ist Präsident der deutschen  UNESCO-Kommission? Kein anderer als Walter Hirche (FDP) , von 2003 bis 2009 Wirtschaftsminister in Niedersachsen!

dpa-Bericht, veröffentlicht in verschiedenen Zeitungen am 13. Oktober 2011

Land will Tourismus am Wattenmeer stärken

Urlaubsregion Regierungsmehrheit beschließt intensivere Werbung für

Weltnaturerbe

Im Nordwesten – Niedersachsen will den Tourismus am Wattenmeer stärker fördern. Dies hat der Landtag am Mittwoch mit der schwarz-gelben Regierungsmehrheit beschlossen. Ziel der Initiative von CDU und FDP ist es, dass das Weltnaturerbe Wattenmeer von der Deutschen Zentrale für Tourismus besser als Urlaubsregion für Besucher aus der ganzen Welt beworben wird. In der Region soll ein nachhaltiger naturverträglicher Tourismus etabliert werden. […]

Keine Mehrheit fand der Vorschlag von SPD und Grünen, die touristische Förderung am Wattenmeer mit einem erwarteten Anstieg der Besuchermassen stärker als bisher an einen Ausbau des Naturschutzes zu koppeln. […]

Die Tourismus-Pläne der Landesregierung waren schon im vergangenen Jahr auf den Widerstand des Wattenrates gestoßen, einem verbandsunabhängigen Zusammenschluss von Naturschützern aus der Küstenregion Ostfrieslands.

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