Nun bohren sie wieder, die Küstenschützer, und wollen im Deichvorland in den geschützten Salzwiesen des Nationalparks Wattenmeer und des vielgepriesenen „Weltnaturerbe“ Kleiboden abgraben „wie es früher üblich war“, um Deiche zu verstärken. Begründet wird dies damit, dass sich die so entstandenen Löcher wieder von selber füllen, was auch zutrifft. „Kreislaufwirtschaft“ nennen das die Küstenschützer.
Genauso könnte man in geschützten Urwäldern Deutschland auch wieder Bäume fällen, die wachsen auch irgendwann wieder nach. Kleientnahme ist zudem mit schwerem Gerät verbunden, das die Salzwiesen
plattwalzt und verdichtet. Die Kleientnahme ist derzeit nur als Ausnahme zugelassen, mal will diesen Zustand zur Regel machen, so als ob es keine Schutzvorschriften gäbe. Der derzeitige Zustand der Salzwiesen in Niedersachsens „Weltnaturerbe“ ist ohnehin vielerorts völlig unakzeptabel: zu stark entwässert, zu trocken, verqueckt. In den oberen Bereichen der Salzwiesen wachsen daher kaum noch die typischen Pflanzen der Salzwiese, als Brut- und Rastgebiete für Küstenvögel weitgehend ungeeignet. Zunächst müssten die bestehenden Salzwiesen mit dem Verzicht auf die großflächige Entwässerung durch viel zu dichte Grabensysteme (Grüppen) saniert werden, wie es einem Nationalpark und „Weltnaturerbe“ angemessen wäre; auch eine extensive Beweidung würde den Salzwiesen helfen.
Stattdessen wird schon eine neue Nutzung diskutiert, mit Unterstützung des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), man höre und staune: Naturschutz, das Letzte im NLWKN! Es gibt auch domänenfiskalische, landeseigene deichnahe Flächen binnendeichs, die man auch zur Kleigewinnung heranziehen könnte, mit einem erheblichen Gewinn für die Küstenvögel. Nur sind diese Flächen lukrativ an Landwirte verpachtet; die Flächen will man nicht durch Wasserflächen nutzungsmindernd entwerten, auf die Einnahmen will das ohnehin klamme Land nicht verzichten. Die Alternative, den Klei aus sog. „Außendeichsringräben“ parallel vor dem Deich zu entnehmen, wird von den Küstenschützern kategorisch abgelehnt, man fürchtet Probleme der Aufreinigung durch Treibselanfall. In den Niederlanden kennt man diese Probleme nicht, dort gibt es viele deichparallele Außendeichsgräben mit wenigen Gräben in der Fläche der Salzwiese. Nichts, aber auch gar nichts haben die starrköpfigen Küstenschützer beim Naturschutz dazugelernt, weitermachen „wie es früher üblich war“ sagt alles zum Bewusstseinsstand aus. Die Küstenschützer bestimmen weitgehend, wo es im Großschutzgebiet Nationalpark langgeht. Dafür haben wir heute das Etikett „Weltnaturerbe“ mit der sich die Ruine Nationalpark als Schloss darstellen lässt.
Link zu einem Küstenschützer, der an der Misere der Salzwiesen nicht ganz unbeteiligt war und heute im Ruhestand ist:
Oberdeichrichter H.H. Janßen verabschiedet, Oberdeichrichter Hans-Hermann Janßen der Deichacht Esens-Harlingerland wird nach 26 Jahren in den Ruhestand verabschiedet – Wirken nach Gutsherrenart
Ostfriesen Zeitung, S. 10, 16. Nov. 2010
Verbände: Klei für Deiche aus dem Vorland
KÜSTENSCHUTZ Alles andere wäre zu teuer / Asphalt ist keine Alternative
Die Deich- und Wasserverbände aus drei Bundesländern tagten in Leysiel. Angesichts des oft diskutierten Klimawandels sieht man sich neuen Herausforderungen gegenüber.
KRUMMHÖRN / HAS – […]
„Wir haben eine Deichsicherheit, wie wir sie noch nie hatten“, sagte der Moormerländer Oberdeichrichter Heiko Albers gestern am Leysiel (Krummhörn). Dort hatte er als Präsident des Wasserverbandstages etwa 40 Mitglieder zu einer turnusmäßigen Konferenz des Verbandes eingeladen, dem Deichachten und Wasserverbände aus Niedersachsen,
Bremen und Sachsen-Anhalt angehören. Angesichts des oft diskutierten Klimawandels sehen sich die Deichachten neuen Herausforderungen gegenüber. Wenngleich nach Expertenmeinung die Wasserstände nicht stärker als in den vergangenen 100 Jahren steigen werden, müssten die Deiche in ihrer Höhe angepasst werden. Grund zur Unruhe bestehe aber nicht, weil weit in die Zukunft geplant werden könne. […] Ein wachsendes Problem bei der Deichverstärkung könnte in Zukunft die Kleibeschaffung werden. Die Vorkommen in Küstennähe, die abbauwürdig sind, gingen zur Neige. Klei aus 50 und mehr Kilometer von den Küsten entfernten Standorten zu holen, sei viel zu teuer. Deshalb verstärkte der Norder Oberdeichrichter Heinrich Jabben die Forderung des Küstenschutzes, die Kleigewinnung wieder im Deichvorland möglich zu machen. Naturschutzrechtliche Gründe stehen bislang in aller Regel dagegen. […] Für Heinrich Jabben ist eine Asphaltierung der aus Sand aufgeschütteten Deichkerne keine Alternative zur Kleiabdeckung. Aushöhlungen unter dem Asphalt ließen sich nicht erkennen. Auch Oberdeichrichter Heiko Albers hält den Kleiabbau im Deichvorland „für eine sinnvolle Sache“. Die dafür bislang erteilten Ausnahmegenehmigungen sollten zur Regel werden. „Das ist Kreislaufwirtschaft“, sagte der Präsident des Wasserverbandstages. Die Löcher im Deichvorland würden sich rasch wieder schließen.
Ostfriesischer Kurier, Norden, S.1. 16. Nov. 2010
Deichkonferenz in Leysiel begrüßt Sonderrahmenplan Tagung Weiter
Wachsamkeit geboten
Pilsum/ert – Die Deiche an der niedersächsischen Nordseeküste waren noch nie so sicher wie heute, und der Meeresspiegel steigt derzeit nicht stärker als in den letzten 100 Jahren. Diese erfreuliche Mitteilung machten Experten gestern Vormittag bei der diesjährigen Deichkonferenz aller niedersächsischen Deichverbände, die im Sperrwerk Leysiel stattfand. […] Die Versammlung sprach sich dafür aus, den dafür erforderlichen Klei aus dem Deichvorland zu gewinnen, wie es früher üblich war.