Aus Ostfriesland nichts Neues: Die Staatsanwaltschaft Aurich stellte mal wieder ein Verfahren gegen Verstöße gegen Umwelt- und Naturschutzauflagen ein, das erleben wir seit Jahren. Ein Skandal ist es trotzdem. Am 03. Mai 2010 berichteten wir über einen Landwirt, der im Vorlandbereich der Ems, Naturschutzgebiet und EU-Vogelschutzgebiet, große Mengen Gülle ausbrachte, in unmittelbarer Gewässernähe.
Das ist ausdrücklich nach der „guten fachlichen Praxis“ und der Düngeverordnung untersagt, da steht nichts von zeitlichen Differenzen von der Ausbringung und der späteren Überflutung, sondern ganz klar, dass man Abstände zu Gewässern einzuhalten hat. Der Landkreis Leer und die Justiz haben wieder einmal nur Worte bewegt, nichts selbst untersucht, sich lediglich auf Angaben des Beschuldigten berufen. Man hat Lücken für den Landwirt gesucht und auch gefunden: Der Boden war ja bei der Ausbringung (angeblich) trocken, die Gülle konnte aufgenommen werden, die Überflutung kam erst 10-12 Tage späterspäter, 16 cmb Gülle seien zudem in der Ems nicht nachweisbar; nur, das ist nicht der einzige Bauer, der an der Ems Gülle ausbringt, und auch 11 Tage nach der Gülleausbringung war die Gülle im Emshochwasser noch zu sehen. Der Wattenrat hat Bilder veröffentlicht, auf denen diese Gülleschlieren im Wasser deutlich zu sehen sind. Völlig unter den Tisch gefallen ist die ebenfalls angezeigte verbotswidrige Verfüllung von Bodensenken im Naturschutzgebiet mit Grabenaushub. Alles paletti also. Eine Anfrage des Wattenrates bei der Unteren Naturschutzbehörde in Leer vom 22. April 2010 nach dem Sachstand blieb unbeantwortet, das deutet auf behördliches Hosenflattern, abtauchen und aussitzen. Nun haben alle anderen Landwirte im Naturschutzgebiet dank Staatsanwaltschaft und Landkreis Narrenfreiheit, es darf weiterhin im Schutzgebiet gegüllt werden, am Beginn der Brutzeit. So wird in diesem Lande das Recht so lange gebogen, bis es für die hochsubventionierte Agrarlobby passt, Naturschutz und Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen war gestern!
Auch wenn es keine Straftat gewesen sein sollte, zumindest ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wäre angebracht gewesen. Die in Rede stehende Fläche ist auch Teil eines „besonders geschützten Biotops“ nach § 28a des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes, durch die Güllausbringungung wird die natürliche Pflanzenstruktur völlig verändert. Für den Landwirt ist das nur eine bequeme Entsorgung, in einem Schutzgebiet!
Ganz nebenbei: Der Güllebauer zog 2009 allein 26.733,33 Euro aus EU-Agrarfonds und darf diese Mittel auch verwenden, um in einem EU-Vogelschutzgebiet herumzusauen. Nun kann sich auch jeder denken, was das Bild am Anfang des Beitrages mit der Begüllung der Naturschutzgebietes an der Ems zu tun hat; die Flagge wird auf den Wattenratseiten immer dann virtuell gehisst, wenn mal wieder deutlich wird, wie Behörden Hand in Hand zum Schaden von Natur und Landschaft und zum Schaden des Vertrauens in den Rechtsstaat arbeiten; nicht nur die Gülle stinkt in diesem Lande zum Himmel…..
Niedersächsisches Naturschutzgesetz, § 28a:
4. Dünen, Salzwiesen und Wattflächen im Bereich der Küste und der tidebeeinflussten Flussläufe,
(2) Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung oder sonst erheblichen Beeinträchtigung des besonders geschützten Biotops führen können, sind verboten. Dies gilt auch, wenn der besonders geschützte Biotop noch nicht in das Verzeichnis geschützter Teile von Natur und Landschaft (§ 31 Abs. 1) eingetragen worden ist.Düngeverordnung, § 3:
(6) Beim Aufbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsstoffen mit wesentlichenNährstoffgehalten an Stickstoff oder Phosphat ist
1. ein direkter Eintrag von Nährstoffen in oberirdische Gewässer durch Einhaltung eines Abstandes von mindestens drei Metern zwischen dem Rand der durch die Streubreite bestimmten Ausbringungsfläche und der Böschungsoberkante des jeweiligen oberirdischen Gewässers zu vermeiden,
2. dafür zu sorgen, dass kein Abschwemmen in oberirdische Gewässer erfolgt.
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Der Wecker für den Landkreis Leer, 4. Juli 2010
Justiz: Gülle an Ems hat kein Nachspiel
Ein Landwirt hatte auf einer Außendeichfläche bei Rorichum gedüngt. Dann kam die Flut. Dennoch: die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein.
Von Edgar Behrendt
RORICHUM. Der Landwirt, der Anfang April am Hatzumer Sand bei Rorichum auf einer Ems-Außendeichfläche Gülle ausgebracht hatte, muss kein juristisches Nachspiel befürchten. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Aurich, Klaus Visser, erklärte gegenüber dem „Wecker“, dass seine Behörde ein eingeleitetes Strafverfahren jetzt einstellen werde. Eilert Voss vom Wattenrat Ostfriesland hatte seinerzeit unter anderem wegen Gewässerverunreinigung Strafanzeige bei der Polizei in Leer gestellt. Er kritisierte, dass die Gülle Tage später durch die Überflutung der Fläche in die Ems gelangt war.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Aurich hatte der Landwirt am 8. sowie am 10. April insgesamt 16 Kubikmeter Gülle „auf trockene Flächen“ ausgebracht. Erst zehn, beziehungsweise zwölf Tage später sei es zu einer Überlutung gekommen. „Zu diesem Zeitpunkt war die Gülle bereits im Boden versickert“, so Visser, der feststellt, dass es in diesem Zusammenhang auch keine einzuhaltenden Grenzwerte gebe. Das sei der Staatsanwaltschaft von der Landwirtschaftskammer mitgeteilt worden. Dagegen, dass die begüllten Flächen inmitten eines Naturschutzgebietes lägen, sei ebenfalls nichts einzuwenden, hieß es in Aurich. Klaus Visser bezog sich dabei auch auf Feststellungen der Unteren Naturschutzbehörde beim Landkreis Leer. Demnach ist es in Naturschutzgebieten lediglich verboten, Geflügelkot auszubringen.