Am 07. und am 08. Mai 2010 fand im westfälischen Hamm mit ca. 600 Teilnehmern der 3. Baugerichtstag statt. Dort wurden im „Arbeitskreis VIII, Öffentliches Recht“ den Naturschutz tangierende weitreichende Empfehlungen „an den Gesetzgeber“ beschlossen: „Empfiehlt es sich, die Umweltprüfung und den Naturschutz im öffentlichen Bau- und Fachplanungsrecht neu zu regeln?“ , u.a. „die Flexibilisierung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung“. Die „Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen“ hat davon auf ihrer WebSeite im Juni 2010 berichtet. Wegen der möglichen negativen Auswirkungen der Neuordnung des Baurechts auf den Natur- und Artenschutz, nicht nur auf Eulen, übernehmen wir die Stellungnahme auf unserer WebSeite und danken der EGE für die Erlaubnis des Abdrucks:
Die Anwälte der Gegenseite
[…] Tatsächlich wurden dort weit reichende Forderungen nach einer Neuordnung des Baurechts vorgetragen, die nur als ein massiver Angriff auf den Naturschutz verstanden werden können. In einem Arbeitskreis „Öffentliches Recht“ kamen Forderungen zum Vortrag, die im Durchsetzungsfall die Lage des Natur- und Artenschutzes drastisch verschlechtern würden.
Bei der Veranstaltung taten sich in diesem Sinne insbesondere der Vertreter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Norbert Portz, Ministerialdirektor a. D. Prof. Dr. Michael Krautzberger und der Rechtanwalt Prof. Dr. Bernhard Stüer hervor.
Während Krautzberger, der bereits in den 1990er Jahren im Bundesbauministerium erfolgreich für einen Abbau naturschutzrechtlicher Anforderungen gearbeitet hatte, Eingriffsregelung, Landschaftsplanung und nationales Artenschutzrecht in Frage stellte, forderte Portz als Antwort auf die Auswirkungen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise unverhohlen einen generellen und ersatzlosen Verzicht auf einen Eingriffsausgleich. Stüer möchte die Eingriffsregelung zwar nicht abgeschafft sehen, eine vollständige Kompensation von Schäden an Natur und Landschaft solle allerdings überall unter Abwägungsvorbehalt gestellt werden. Seit 1993 steht die Kompensation nur bei bauleitplanerisch vorbereiteten Eingriffen unter einem solchen Vorbehalt.
Die Forderungen zielen vor allem auf eine Beschränkung des Naturschutzrechts auf seinen europarechtlich normierten Kern; sie liegen insofern ganz im neoliberalen Trend. Welche Bedeutung diese Forderungen auch für den Schutz einheimischer Eulen haben, zeigt sich beispielhaft beim Steinkauz. Er besiedelt insbesondere das mit alten Obstbäumen bestandene Grünland in der Peripherie der Ortschaften. Die Inanspruchnahme solcher Flächen für neue Baugebiete kann an den Bestimmungen des Naturschutzrechts scheitern oder zumindest Ausgleichsmaßnahmen nach sich ziehen. Die finanziellen Aufwendungen für naturschutzrechtlich verlangte Ausgleichsmaßnahmen bewegen sich zumeist deutlich unter 5 Prozent bezogen auf die Kosten für Planung und Ausführung des Eingriffs. So gesehen bewegen sich die Aufwendungen gewissermaßen auf dem Niveau der Aufwendungen für „Kunst am Bau“.
Dass sich beim Baugerichtstag jemand für die Stärkung des Naturschutzes ausgesprochen hätte, wurde nicht überliefert. Naturschutzbehörden und -verbände sind währenddessen mit heiteren, aber belanglosen Aktionen zum Internationalen Jahr der Biodiversität vollauf beschäftigt.
Nachtrag: Der erwähnte Prof. Stüer ist an der ostfriesischen Küste kein Unbekannter. Er vertritt die Stadt Esens (LK Wittmund) bei der umstrittenen „kommunalen Entlastungsstraße Bensersiel“ in einem faktischen Vogelschutzgebiet in unmittelbarer Nähe des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Erhebliche Planungsfehler „heilte“ er durch die Empfehlung der Neuauflage eines gerichtlich beanstandeten B-Planes. Der Eilantrag eines privaten Kläger (von den Naturschutzverbänden hört man nichts mehr in der Sache) gegen die Neuauflage des B-Plans wurde vom OVG-Lüneburg abgebügelt, bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens wird die Straße fertig sein, Prof. Stüer sei „Dank“.