Ein Jahr „Weltnaturerbe“: eine Nachlese

Nun haben sich die Touristiker mit ihren Inszenierungen zum Einjährigen des  Wattenmeeres als „Weltnaturerbe“ wieder verbal ausgetobt, bis zum nächsten Jahr. Anlass für den Wattenrat, eine kleine Pressenachlese zu veröffentlichen. Das Bemerkenswerte dabei: Die hehren Naturschutzorganisationen WWF oder NABU, die vor einem Jahr noch ganz euphorisch des Etikett Weltnaturerbe herbeisehnten, lobten das Etikett nun schon wesentlich verhaltener.

Nationalparkschild im "Weltnaturerbe": Der Lack ist ab!

Dass Kitesurfer in Schutzzonen und der Massentourismus einem Großschutzgebiet wie dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer nicht gerade förderlich sind, wissen die Verbandsfunktionäre seit Jahrzehnten. Bemerkenswert auch, dass die Naturschutzverbände nichts Öffentliches dazu beigetragen haben, die Kitesurfer- oder Windkraftwelle im oder am Nationalpark kritisch zu begleiten oder von ihrem Verbandsklagerecht Gebrauch gemacht haben. Da hätte mehr kommen müssen, „Nachhaltiges“ sozusagen, nicht erst pünktlich zur Welterbenummer der Medien. Und „unser“ Ministerpräsident Wulff (CDU), vielleicht demnächst Bundespräsident, übte sich mal wieder im kreativen Umgang mit der Wahrheit und schwätzte schon mal ganz staatsmännisch: 

„Das Wattenmeer ist eine in der Welt einzigartige Naturlandschaft – ein Unikat, das uns in besonderer Weise an die Hand gegeben ist“, so Wulff. „Es werde deutlich und sei schön zu sehen, dass sich die Region dieser Verantwortung bewusst sei.“

„Einzigartig“ mag ja noch stimmen, aber das mit der „Verantwortung“ war nun doch ein bisschen dick aufgetragen; nichts hat „die Region“ mit ihren verantwortlichen Politikern und Tourismusverbänden für den Erhalt des Wattenmeeres getan, nur gnadenlose Vermarkung ist Trumpf, seit Jahrzehnten.

Sauerstoff der anderen Art im "Welterbe" Wattenmeer

Fettpatrone im "Welterbe"

Ganz besondere „Geschenke“ zum Einjährigen haben Onno K. Gent und Eilert Voß auf ihrem Weg durchs Welterbe gefunden und fotografiert: Müll, Müll und nochmals Müll,  und ein Kadaver, alles kostenlose „Gaben“.

Details bei Onno auf seiner WebSeite „filapper„. 

angespülter Hund

Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, 28. Juni 2010

92:91 Punkte – das knappe Ergebnis verdeutlichte, wie eng es am Wochenende beim großen Sandkunst-Wettbewerb aus Anlass des ersten Geburtstages des Weltnaturerbes Wattenmeer zugegangen ist[…]Am Ende gewannen […] mit ihrer Meerjungfrau den ersten Preis, einen Rundflug über dem Nationalpark. […]

taz-Nord, 24.06.2010

Menschen schützen nur, was sie kennen und schätzen
Das Gute im Nahen
KOMMENTAR VON SVEN-MICHAEL VEIT
Kleingeistige Besserwissereien können manchmal ganz schön nerven. Sicher: Immer könnte das eine oder andere Detail besser und schöner gemacht werden als es ist, und immer wieder muss es das ja auch. Aber unstrittig ist zunächst mal: Das Wattenmeer an der Nordsee ist bereits zum großen Teil Weltnaturerbe, und bald wird es vollständig dazu gehören. Wer das glaubt kleinreden zu müssen, ist ein Sauertopf. […]

Die Nordsee GmbH, Pressemitteilung, 24. Juni 2010

Jubiläums-Wochenende: Ein Jahr UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer

Auftaktveranstaltung mit Christian Wulff war voller Erfolg

Schortens, 24. Juni 2010. Er freute sich sichtlich, dabei zu sein. Als Christian Wulff heute symbolisch eine Robbe überreicht bekam, lächelte der niedersächsische Ministerpräsident. Das Jubiläums-Strandfest anlässlich des 150-jährigen Bestehens des Nordseebades Horumersiel-Schillig mit mehr als 500 Besuchern war der Auftakt für ein Geburtstags-Wochenende der Extraklasse. Gefeiert wird nun das ganze Wochenende – denn am 26. Juni ist der Jahrestag der Ernennung des Wattenmeers zum UNESCO-Weltnaturerbe. Das Weltnaturerbe Wattenmeer feiert Geburtstag. In einem Festakt wurden heute mehr als 20 weiße Robben-Skulpturen an Repräsentanten verschiedener Orte an der niedersächsischen Nordseeküste und den Ostfriesischen Inseln feierlich übergeben. Ab dem 26. Juni erhalten die Robben dann in den jeweiligen Städten und Gemeinden einen Ehrenplatz und werden künstlerisch gestaltet. Von Kindergärten bis hin zu bekannten Künstlern – jeder Ort bestimmt selbst, wie „seine“ Robbe später aussieht. Ein umfangreiches Kulturprogramm für die ganze Familie begleitet diese Geburtstags-Aktion.

Ministerpräsident Christian Wulff freute sich sehr, im Rahmen seiner Sommertour das Nordseebad Horumersiel-Schillig mit direktem Blick auf das Weltnaturerbe zu besuchen. „Das Wattenmeer ist eine in der Welt einzigartige Naturlandschaft – ein Unikat, das uns in besonderer Weise an die Hand gegeben ist“, so Wulff. „Es werde deutlich und sei schön zu sehen, dass sich die Region dieser Verantwortung bewusst sei.“ […]

Ostfriesen Zeitung, 24.06.2010

Weltnaturerbe Watt: Umweltverbände üben Kritik
Hannover/Hamburg / LNI – Mit zahlreichen Aktionen feiert die Küste von heute an den ersten Geburtstag der Anerkennung des Wattenmeeres als Unesco-Weltnaturerbe. Doch während Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) nach einem Jahr von einem Erfolg für den Naturschutz spricht, ziehen Umweltverbände eine gemischte Bilanz. Für den Nabu ist der Einfluss wirtschaftlicher Interessen zu hoch, der WWF forderte einen sanfteren Tourismus.[…]

Focus online, 21.06.2010, 15:00

[…] Genau darin sieht Hans-Ulrich Rösner vom Wattenmeerbüro der Umweltstiftung WWF in Husum die Nagelprobe der kommenden Jahre. „Die Wattenmeerländer müssen dann ihre gemeinsame Strategie für einen nachhaltigen Tourismus erarbeiten. Darin muss dann deutlich werden, dass alle touristischen Entwicklungen mit Einfluss auf den Nationalpark sich letztlich am Respekt vor der Natur orientieren und einen geringen Klimafußabdruck anstreben.“ Noch ist es aber nicht so weit. So hinterlassen etwa neue Freizeitsportarten bereits ihre Spuren. „Das Kitesurfen gehört inzwischen zu den größten Störungen für Brut- und Rastplätze von Vögeln“, hat Rösner festgestellt. In den vergangenen zwölf Monaten sei die ausdrücklich verbotene Nutzung in geschützten Bereichen zugelassen worden, bemängeln Kritiker. „Das hat erhebliche Scheuchwirkungen auf viele Vogelarten“, findet Manfred Knake vom regionalen Wattenrat in Ostfriesland. Betreuung und Überwachung des Nationalparks sind mit dem Massentourismus nicht mitgewachsen. Insgesamt sieht Knake sogar einen Paradigmenwechsel im Naturschutz:
„Durch die Ökonomisierung und Nutzung unter dem völlig abgenutzten Begriff ´Nachhaltigkeit´ treten Arten- und Flächenschutz in den Hintergrund.“ Das Etikett Weltnaturerbe solle bloß neue Kundenschichten erschließen. Ohne weitere Verbesserungen müsse der Welterbetitel überprüft oder sogar wieder aberkannt werden. […] Alte Gefahrenherde bleiben bestehen Naturschützer weisen allerdings neben zunehmendem Tourismus auch auf weitere Gefahren hin. Industrieprojekte wie küstennahe Windparks und Wirtschaftsinteressen bei Hafenausbauten.[…]

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