Wir berichteten bereits am 03. Mai 2010 über einen Landwirt, der an der Ems in einem geschützten Vorlandbereich (Naturschutzgebiet Emsauen) Gülle ausbrachte, die kurze Zeit darauf durch ein Hochwasser in die Ems gespült wurde. Schlechte Beispiele verderben bekanntlich die guten Sitten: Ein Berufskollege am gegenüberliegenden Emsufer bei Critzum verteilte am 07. Oder 08. Mai 2010 im selben Naturschutzgebiet, Teil des EU-Vogelschutzgebietes „Emsmarschen Leer-Emden“, flächendeckend Rindermist Schafmist aus seiner Intensivhaltung auf der Brackwasser-Salzwiese, im Überflutungsbereich der Ems! Also ein erneuter Verstoß gegen die „gute fachliche Praxis“ laut Düngeverordnung:
(6) Beim Aufbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsstoffen mit wesentlichen Nährstoffgehalten an Stickstoff oder Phosphat ist
1. ein direkter Eintrag von Nährstoffen in oberirdische Gewässer durch Einhaltung eines Abstandes von mindestens drei Metern zwischen dem Rand der durch die Streubreite bestimmten Ausbringungsfläche und der Böschungsoberkante des jeweiligen oberirdischen Gewässers zu vermeiden,
2. dafür zu sorgen, dass kein Abschwemmen in oberirdische Gewässer erfolgt.
Auf dieser Fläche brüten derzeit unter anderem die streng geschützten Säbelschnäbler und Uferschnepfen. Hier der Auszug aus einer E-Mail eines in Ostfriesland bekannten Ornithologen aus Leer an den Landkreis Leer:
[…] heute Nachmittag (8.05.) kontrollierte ich vom Deich aus das Midlumer Vorland. Östlich der Ziegelei war eine kleine Fläche bemistet. Westlich der Ziegelei (NE Critzum und NW Midlum) sind zwei große Flächen so stark mit Mist bedeckt, dass sie schwarz aussehen. Auf einer dieser Flächen brütete ein Säbelschnäbler, 13 weitere auf (noch?) nicht bemisteten Flächen. Solch eine schlimme Düngungsaktion im Außendeichsbereich und in einem NSG ist mir noch nie aufgefallen. Diese Maßnahme verträgt sich nicht mit dem Schutzziel „Förderung extensiver Grünlandbewirtschaftung“, dem „Erhalt und der Förderung beruhigter Brut-, Rast- und Nahrungsräume“ und der Wasserrahmenrichtlinie. Wieso besteht ein Verbot, „Kot aus der Geflügelhaltung auszubringen“, Mist dagegen in solch naturschutzwidriger Weise? So bringt man die Wiesenbrüter um ihre letzten Bestände. Ich stellte nur noch 3 Paare Uferschnepfen im Midlumer Vorland fest. Werden weitere Flächen stark gedüngt, werden auch diese um ihren Bruterfolg gebracht. […] Seit der Verabschiedung der NSG-Verordnung häufen sich die Missstände. […]
Diesen Landwirten sind EU-Auflagen, die Naturschutzgesetzgebung und das Schicksal der bestandsbedrohten Wiesenvögel wohl im wahrsten Sinne des Wortes „scheißegal“, so bringt man seine eigene Zunft in Verruf!
Aber nicht das das: Der Bauer aus Critzum stellt im Naturschutzgebiet NSG-Emsauen sogar Vogelscheuchen mit Flatterbändern auf, um die Gänse zu vertreiben, das ist laut Naturschutzverordnung verboten. Wo sollen die Tiere eigentlich noch ungestört brüten oder äsen? Welchen Wert hat die EU-Vogelschutzrichtlinie noch?
Rückendeckung bekam sein Kollege auf dem anderen Emsufer bereits vom Landkreis Leer und der Polizei, die im Falle der Begüllung zunächst „keine Verstöße“ feststellten, dann aber nach dem Druck aus der Öffentlichkeit den Vorgang wegen der Gülleeinspülung in die Ems an die Staatsanwaltschaft abgaben. So gesehen kann man die Mist-Aktion bei Critzum auch als Provokation eines Landwirtes ansehen, der deutlich machen wollte, wer das Sagen im Schutzgebiet hat.
edit 12. Mai 2010: Heute berichtete die Wochenzeitung „Der Wecker“ aus Leer über den Vorfall. Wir zitieren:
Mittwoch, den 12. Mai 2010 / Der Wecker Seite 5
Landkreis Leer
Erneute Sauerei am Emsufer
MIDLUM. Nach dem bereits vor vier Wochen angezeigten Fall einer übergüllten Fläche am Emsufer zwischen Terborg und Rorichum (der „Wecker“ berichtete) schlägt der Wattenrat Ostfriesland jetzt erneut Alarm. „Immer wieder sabotieren einzelne Landwirte den Wiesenvogelschutz“, ärgert sich Eitert Voss und berichtet von zwei weiteren „Tatorten“ auf der gegenüberliegenden Emsseite – im Naturschutzgebiet des Midlumer Vorlandes. Zum einen sei auf einer Fläche östlich der Ziegelei Rindermist verteilt worden, obwohl dort Säbelschnabler und Uferschnepfen brüteten. Der zweite, schlimmere Vorfall ereignete sich bei Critzum. Dort sei „das Vorland großflächig mit schwarzem Mist abgedeckt worden“, berichtet Voss. Grau- und Nonnengänse suchten nun in den wenigen noch freien Vegetationsresten nach Nahrung. Das Wattenrat-Mitglied spricht von „eklatanten Verstößen“ gegen die gültigen Regeln der „üblichen landwirtschaftlichen Praxis“. Offenbar hätten Landwirte den Fall der Gülleausbringung am Emsufer, der zumindest bisher nicht geahndet worden sei, als „Freibrief‘ aufgefasst, so Voss, der die Polizei, den Landkreis, das NLWKN, den Nabu und die Grünen über die Vorfälle informiert hat. -edb
Wir vom Wattenrat fragen uns, wann die zuständigen Behörden diese ständigen Eingriffe und Verstöße „nachhaltig“ ahnden und abstellen wollen. Zudem warten wir auf ebenso „nachhaltige“ Reaktionen der großen „anerkannten“ Naturschutzverbände wie BUND oder NABU. Das ständige Beklagen über den Rückgang der Wiesenvögel ist eine Sache, das Abstellen von offensichtlichen Missständen eine andere, die allerdings mit unvermeidlichem Ärger verbunden ist.