Wattenrat

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Landwirte lassen es in EU-Vogelschutzgebieten krachen

Pressemitteilung  20. Dezember 2006  Nr. 09/2006

Gasbetriebene Knallapparate verscheuchen geschützte Vogelarten in EU-Vogelschutzgebieten - Umweltministerium unterstützt Bauern statt geschützte Vögel

Esens/Ostfriesland. Es knallt regelmäßig an vielen Stellen in EU-Vogelschutzgebieten an der ostfriesischen Küste in den Landkreisen Leer, Aurich oder Wittmund. Landwirte verscheuchen mit gasbetriebenen tragbaren Knallapparaten Gänse und damit auch andere streng geschützte Vogelarten von ihren Äsungs- oder Ruheflächen. Das niedersächsische Umweltministerium sieht darin kein Problem. In einem Schreiben an verschiedene Küstenlandkreise geht man in Hannover davon aus, dass die Vergrämung der Vögel rechtens sei und es um "nicht verbotenen Störungen" gehe, da es sich bei Gänsen ohnehin um jagdbares Wild handele. Der Wattenrat Ost-Friesland sieht das völlig anders. In einem Schreiben wandte sich der Wattenrat an das Umweltministerminsterium [siehe unten] und wies darauf hin, dass die Knallapparate nicht nur Gänse, sondern auch andere strenge geschützte Watvogelarten [mit einem -t, von waten] von ihren nationalparknahen Ruheplätzen vertrieben. In faktischen- oder gemeldeten EU-Vogelschutzgebieten ist das absichtlichen Stören dieser Tiere nach der EU-Vogelschutzrichtlinie untersagt. Auch das Bundesnaturschutzgesetz verbietet das absichtliche Stören von streng geschützten Arten auch außerhalb von EU-Vogelchutzgebieten [§42]. Bei gewerblichen Störungen, wie z.B. durch Landwirte, ist dies nach dem Bundesnaturschutzgesetz ein Straftatbestand [§66].

Landwirte, die zudem Direkzahlungsempfänger von EU-Mittel sind, verstoßen gegen ihre vertraglichgen Verpflichtungen. Seit 2005 sind die Direktzahlungen der EU an eine EU-Verordnung (Cross Compliance) mit Auflagen verbunden. Danach dürfen in Natura-2000-Lebensräumen, also in FFH- und Vogelschutzgebieten, keine Beeinträchtigungen für die Tiere stattfinden. Wenn dies auflagenwidrig dennoch geschieht, drohen den Landwirten wegen missbräuchlicher Mittelverwendung z.T. drastische Zahlungseinschränkungen.

Der Wattenrat forderte das Umweltministerium daher auf, den rechtswidrigen Zustand des Vertreibens von geschützten Tieren an ihren Zufluchtstätten durch Knallapparate zu unterbinden.

Schreiben an das niedersächsische Umweltministerium:

Herrn
Bernd Karl Hoffmann
Niedersächsisches Umweltministerium    17. Dez. 2006
Archiv Straße 2
Hannover

Vergrämung von wildlebenden Vögeln der streng geschützten Arten mit gasbetriebenen Knallapparaten an der Küste

Sehr geehrter Herr Hoffmann,
wie Ihnen bekannt ist, werden an zahlreichen Standorten an der Küste, auch in "besonderen Schutzgebieten" oder noch "faktischen Vogelschutzgebieten" nach der EU-Vogelschutzrichtlinie in den Landkreisen Leer, Aurich und Wittmund (und vermutlich darüber hinaus) von Landwirten gasbetriebene Knallapparate zur Vergrämung von wildlebenden Vögeln auf landwirtschaftlichen Nutzflächen verwendet.

Diese Vegrämung ist nach § 42 des Bundesnaturschutzgesetzes, wenn es sich um streng geschützte Arten handelt, nicht zulässig und kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Sie ist nach § 66 BNatSchG dann eine Straftat, wenn die Störungen der Arten gewerbsmäßig begangen werden, und dazu gehört die Erwerbslandwirtschaft.

Wie mir der Landkreis Aurich auf telefonische Anfrage mitteilte, stehen Sie als Vertreter des Umweltministeriums (!) auf dem Standpunkt, es handele sich um Zitat "nicht verbotene Störungen", da z.B Nonnengänse in Schleswig-Holstein zum jagdbaren Wild gehören. Sie verkennen offenbar, dass die Knallapparate nicht selektiv auf verschiedene Gänsearten wirken, sondern auf ALLE Vogelarten, eben auch auf die streng geschützten Arten an ihren Zufluchtstätten. Gerade bei Hochwasserlagen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer wechseln viele Limikolenarten auf die binnendeichs gelegenen landwirtschaftlichen Nutzflächen aus, um hier zu rasten.

Zudem verstoßen die Landwirte, die Direktzahlungsempfänger von EU-Mitteln sind, gegen die sog. "anderweitigen Verpflichtungen". Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 ist die Gewährung von Direktzahlungen seit dem Jahr 2005 an die Einhaltung von Vorschriften in den Bereichen Umwelt, Futtermittel- und Lebensmittelsicherheit sowie Tiergesundheit und Tierschutz (Cross Compliance) geknüpft. Nach den bekannten Checklisten gehört dazu auch das Verbot der absichtlichen Beeinträchtigung von Natura-2000-Lebensräumen. Wenn also Landwirte, die Direktzahlungsempfänger sind, auf ihren Flächen solche Vergrämunsapparate installieren, verwenden sie die EU-Mittel auflagenwidrig und missbräuchlich.

Dies wäre zumindest vom ML abzustellen.

Ihre Darstellung gegenüber dem LK Aurich und möglicher Weise auch anderer Landkreise an der Küste halte ich daher für völlig verfehlt und abwegig und fordere Sie auf, entsprechend den Vorgaben der EU-Vogelschutzrichtlinie und der EG-Verordnung Nr. 1782/2003 die Verwendung solcher Vergrämungsapparate wirksam zu unterbinden.

Eine Kopie dieses Schreibens erhalten die Staatsanwaltschaft in Aurich und die EU-Kommission.

Mit freundlichem Gruß
Manfred Knake

 
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