Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 76 (20.07.2004)

Petkumer Deichvorland: Freibier, Politik und der "Staatsschutz"

Im NSG und BSG wurde der Weg im Naturschutzgebiet mit Freibier eröffnet, Naturschützer fehlten - FDP als Wichtigtuer

Und: zum Lesen empfohlen, die realsatirische Seite des FDP-Politikers und politischen Vielkämpfers Bolinius, dieser Mann bürgt für Kompetenz! Auch der "Gegenwind", eine kritische Zeitung aus Wilhelmshaven, hat Herrn Bolinius entdeckt und ihn kommentiert.

Und nun der Herr Bolinius im O-Ton:

Eröffnung Teekabfuhrweg / Nachbericht der Emder Zeitung

Nachstehend ein Bericht der EZ von heute. Bezüglich der Polizeipräsenz ist zu sagen, dass der Staatsschutz aus Aurich in der letzten Woche bei mir angerufen und gefragt hat, ob mir Erkenntnisse von Protesten von Naturschützern vorliegen würde. Ich habe klar zum Ausdruck gebracht, dass mir keine vorliegen. Der Herr wollte am Mittwoch dieser Woche noch einmal bei mir anrufen, hat er aber nicht getan. Dass sich die Polizei aufregt, ist mir völlig unverständlich. Bei jedem Fußballspiel, z.B. bei Kickers Emden, sind Polizisten im Einsatz, auch wenn in den meisten Fällen gar nichts passiert. Warum also dieser Vorwurf der Emder Polizei?

Wir zitieren aus der "Emder Zeitung" vom 17. Juli 2004:

Dreikönigstreffen auf dem Petkumer Deich
Der Teekabfuhrweg war am Donnerstagabend fest in FDP-Hand - und die Emder Polizei war sauer. Einige Beobachtungen.

Von EZ-Redakteur JENS VOITEL

Alles im Griff: Mikrofonhalter Erich Bolinius mit Umweltminister Hans-Heinrich Sander. Am linken Rand Oberdeichrichter Heiko Albers und Emdens Erster Stadtrat Jan Röttgers, rechts der Emder FDP-Landtagsabgeordneter Roland Riese. Im Spiegel der Sielhaus-Fenster: das Volk und der Hafen. EZ-Bilder: Leding

"Jetzt will ich aber auch mal den Minister begrüßen. - Ich hab' hier schließlich ein Heimspiel." Mit dieser Einschätzung liegt der SPD-Mann Hans-Dieter Haase an diesem lauen Juli-Abend auf dem Petkumer Deich fern jeder Realität. Dem Oppositionellen gehört zwar nach eigenen Bekunden der Wahlkreis, und ihm wird letztlich auch der Händedruck gewährt, aber der Deich bleibt fest in der Hand der Emder FDP. Auch der Beinahe-Landtagsabgeordnete Reinhard Hegewald von der Emder CDU hat trotz Regierungsnähe keine wirkliche Chance: Der extra aus Hannover angereiste FDP-Minister gehört voll und ganz den Mannen um Erich Bolinius.

Die Eröffnung des heftig umstrittenen Teekabfuhrweges (die Emder Zeitung berichtete) wurde am Donnerstagabend zu einer Art liberalem Dreikönigstreffen. Open air, sozusagen. Ein Lehrstück für parteipolitische Werbung in eigener Sache. Schon die Vorgeschichte gehörte zum Plan. Im Dezember war Umweltminister Hans-Heinrich Sander auf Geheiß von Platzhirsch Bolinius in die Petkumer Gaststätte "Slis" bugsiert worden. Dort war er dann auf gut 100 empörte Bürger getroffen, die vehement "ihren" Deich verteidigten - diesmal weniger gegen Naturgewalten , sondern gegen Naturschützer, die das Wohl seltener Vögel über die Belange des erholungsbedürftigen Menschen stellen wollten. Ein Unding, so die einhellige Meinung im "Slis"-Saal.

Fass unter dem Arm

Für Niedersachsens obersten Umweltschützer war das damals sichtlich ein undankbarer Job, stand er doch qua Amt ein wenig zwischen allen Stühlen. Aber Sander zog sich mit ein paar glatten Worten achtbar aus der Affäre. Und als das gute Ende der etwas hitzigen Veranstaltung sichtbar war, kündigte er populär ein Wiedersehen am Deich an - mit einem Fässchen Bier unter dem Arm. Versprochen!

An diesem Donnerstag ist es dann soweit. Der Gefechtslärm um den Teekabfuhrweg ist zwar noch immer nicht restlos verzogen, doch der Weg ist frei! Und die Emder FDP springt selbstbewusst, wie es in letzter Zeit ihre Art ist, als erste aus dem Schützengraben. Obwohl: Am Vormittag hatte sich noch die Stadtverwaltung vorgewagt und der Presse das von ihr entwickelte Kompromisspaket vorgestellt. Ohne dieses Konzept hätte es womöglich gar keine Öffnung des Teekabfuhrweges gegeben und der Minister hätte mit seinem Fass vor geschlossenen Gattern gestanden. Der Erste Stadtrat Jan Röttgers war es auch, der mit seinen Mitarbeitern die 20 000 Euro aufgetan hat, um aus dem Deichweg ein Lehrpfad zu machen. Für den Abend ist Röttgers von der FDP zumindest um ein "Grußwort" gebeten worden. Immerhin. Und dann vergisst dieser auch noch, sehr zum eigenen Verdruss, die Landtagsabgeordneten zu begrüßen. "Können Sie nicht schreiben, ich hätte sie begrüßt?", fragt ein nicht wirklich zerknirschter Stadtrat den Reporter. Ein Ministerbesuch hinter dem Deich, mit über 100 Bürgern vor einem, zwar fototechnisch eher tristen, zumindest aber landschaftlich reizvollen Betonweg? Reichte das den liberalen Organisatoren womöglich nicht? In der Einladung zur Eröffnung hieß es jedenfalls noch geheimnisvoll: "Mit heftigen Protesten von Umweltschützern ist zu rechnen!" Ausrufezeichen!

Verärgerte Polizei

Genau das kam bei der Polizei nun gar nicht gut an. Aus dem Kreis der zivilen Beobachter, die am Donnerstag am Petkumer Fähranleger gute zwei Stunden lang die uniformierten Kollegen der Wasserschutzpolizei unterstützen müssen, hört man durchaus Worte der Verärgerung. Der Grund: Es gab überhaupt keine Hinweise auf drohende Proteste, geschweige denn auf Gewalttätigkeiten. Dennoch sind nun mindestens sieben Beamte vor Ort. "Damit wird Politik gemacht", sagt ein hörbar verstimmter Polizist, was so ähnlich klingt wie: "Das gehört sich einfach nicht." Auf Nachfrage habe die FDP den strittigen Einladungssatz auf die Schreibkraft geschoben. "Das ist natürlich schwach", so der Ordnungshüter. Der FDP-Landtagsabgeordnete Roland Riese räumt am Rande der Eröffnungsfeier tatsächlich ein, dass man aufgrund der "Vorgeschichte" auf Nummer sicher gehen wollte. Drohungen habe es nicht gegeben. Die einzige spitze Waffe bleibt somit glücklicherweise die Schere in der Hand des Ministers. Damit schneidet er das Band durch, das man schnell noch vor den freigebenen Teekabfuhrweg gehängt hat.

Weg versperrt

Bier getrunken wird auch. Ein Fass geht auf den Minister, zwei weitere auf die FDP. Die Bürger greifen allerdings zunächst nur zögerlich zu, vielleicht auch deshalb, weil ihnen der Pulk von Politik-Aktivisten unabsichtlich den Zugang versperrt. Als das Volk sich doch noch durchgerungen hat, ist der Minister bereits auf zum nächsten Programmpunkt: das Abradeln des Teekabfuhrweges. Die FDP hat an alles gedacht. CDU-Mann Hegewald schließt sich dem Tross auf eigenem Rad tapfer an, SPD-Kollege Haase bleibt gleich freiwillig zurück - ebenso die Polizei und die Fotografen.

Als sich später das FDP-Treffen hoch oben auf dem Deich seinem Ende nähert, der Fahrer des Ministers bereits die aktuellen Verkehrsberichte abhört und die Zivilschützer erneut von einem auf das andere Bein wechseln, ist 50 Meter vom eigentlichen Geschehen, ganz nah am Teekabfuhrweg, nur noch das laute Lachen der gut gelaunten Menschenrunde zu hören. Und ganz entfernt noch das Schnattern der Gänse.

Anmerkung des Wattenrates:

Also, hier beim Wattenrat hat der "Staatsschutz" nicht angerufen, ob wir Protestaktion gegen die Öffnung des Betonweges im NSG und BSG "Petkumer Deichvorland" vorhätten.

Geistige Initiatoren dieser Protest-Vermutung waren offensichtlich der Herr Bolinius und MdL(FDP) Roland Riese, liberale Brandstifter der besonderen Sorte. Die Herren Riese und Bolinius machten aus dem Wattenrat bereits "Fundamentalisten", da wäre der verbale Weg zu "Terroristen" bei handfesten Protesten ja nicht weit gewesen. Nein, da hatten wir nichts zu suchen; alle Argumente sind vorher schriftlich ausgetauscht worden. Jetzt geht es weiter zur EU-Kommission. Auch die Frage der vom Land ausgezahlten EU-Fördergelder im Zusammenhang mit der Wegeöffnung im europäischen Schutzgebiet wird Brüssel sicher interessieren.

In welchem Lande leben wir eigentlich, dass die Zerstörung eines Teils eines europäischen Schutzgebietes mit Freibier des Umweltministers gefeiert wird, die Kritiker als potenzielle Staatsfeinde denunziert werden und sich dann der "Staatsschutz" erkundigt? Bezahlen die Herren Bolinius und Riese wenigstens den vergeblichen Polizeieinsatz?

 
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