Wattenrat

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 302 (Dezember 2008)

Vierbeiniger Insel-Massentourismus

Hundehalters Kack- und Beißstrände als verschwiegenes Phänomen, glossiert von Thomas Schumacher

Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Waterkant Heft 4/2008.

Insulaners Glosse über Herrchen und Frauchen des angeblich besten Menschenfreunds.

Hundsgemein!

Von Thomas Schumacher

Tiere kommen immer gut an. Der Panda als »Wappentier« der Umweltstiftung WWF giert plüschig danach, gekuschelt zu werden; der Storch des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) bringt bekanntlich kleine Kinder: Schön. Was aber machen wir mit Hunden? Die Frage ist ernst gemeint. Neben der Globalisierung im Großen sind Hunde das Problem im Kleinen. Sagt sinngemäß Goethe. Warum? Hier einige Episoden.

In den Gängen auf der Fähre von Norddeich nach Norderney versperren vier Hunde mit zwei Jugendlichen die Treppe. »Darf ich mal vorbei?« Keine Reaktion. Ein Überfliegen der Gruppe ist unmöglich. Die Hunde sind nicht angeschnallt. Im vollbesetzten Salon versperrt eine riesige Dogge den Zugriff auf die Theke. Bockwurst und Bier werden blockiert von vor Sabber triefenden Lefzen. Das Tier hebt den Kopf. Sein Maul und die darin bereit gehaltenen Reißzähne befinden sich, ohne dass der Hund (?) aufsteht, auf Beißhöhe zu meinem Unterleib. »Der tut nichts«, lächelt Herr(chen).

Aus dem hinteren Salon balfert wildes Gekläff. Spitze Schreie unbekannter Herkunft stoßen durch den Lärm. Drei Hunde kämpfen um ihre Reviere, ihre jeweiligen Führerinnen (sie!) schreien sich gegenseitig an, der/die jeweils andere solle doch sein/ihr »Vieh« zurücknehmen. Eine Frau schreit gleich doppelt. Ihr Sohn ist auf die Sitzbank gestiegen. Ob er sich nicht benehmen könne, brüllt Frauchen. Patsch, hat der Junge sich eine Ohrfeige gefangen. Hund, Frauchen/Mutter und Sohn sind in Aufruhr. Beruhigend krault Frauchen den Nacken des Hundes und flüstert zärtlich: »Bist ein ganz braver, Hundi. Mutti hat dich ganz lieb.« Ihr Sohn weint.

Bis hierhin ist die Hundewelt subjektiv erfahren. Sicher gibt es auch nette Hunde und vor allen Dingen Hundehalter, ich kenne leider keine. 'Mein Hund beißt nicht' und 'mein Hund tut das nicht', das ist der Ausweis der Hundehalter, ihre mehr oder weniger kleinen Lieblinge machen zu lassen, was und wo diese wollen. Und es werden immer mehr. Damit wird es zu einem gesellschaftlichen Problem. Nur keiner will es wahrhaben.

Als Langeoog vor zwei Jahren einen Nichtraucherstrand auswies, sorgte der tolle Werbegag für europaweites Aufsehen. Dass sich jede Insel einen Hundestrand leistet, interessiert nicht. Jeder nimmt es hin, wenn exklusiv für Hunde und ihre Halter Sonderstrände, im Volksmund »Kack-und-Beiß-Sand«, auf den Inseln ausgewiesen werden. Leider sind die Tiere nicht immer grenzhaltig. Sensible Hundehalterinnen gehen schon gar nicht mehr an die Hundestrände. »Ach, wissen sie, da ist es immer so voll. Und manche haben ja doch sehr aggressive Hunde, die tun meinem Hundi gar nicht gut«, meint ein sich tierlieb dünkender Herr. Einen hundefreien Kinderstrand gibt es übrigens auf keiner Insel. Selbstverständlich wollen die Inseln Hunde beziehungsweise ihre Halterinnen - als zahlende Gäste. Aber keine Insel wird mit dem Problem fertig. Jedes Jahr haben die Kurverwaltungen viel zu tun, um den wiederkehrenden Wirbel um immer neue Beißattacken auf immer andere Gäste unter den Strandkorb zu kehren.

Wangerooge wird zu jedem Jahresende »doggy style«: Dann kommen die Besitzerinnen von Eigentumswohnungen mit ihren Wauwies, oft pro Person zwei Hunde von small bis xxl, und scheren sich sprichwörtlich einen Dreck um kommunale Gesetzgebung. Deswegen hat Wangerooge auch nach der Saison den Leinenzwang für Hunde an öffentlichen Plätzen aufgehoben: Nur ein frei scheißender Hund ist ein freier Hund.

Künstlerhaus hin oder her, auch das feine Spiekeroog muss mit Dackelscheiße vor dem klotzigen Atelierbau des Bremer Reeders Niels Stolberg leben. Offensichtlich stört das nicht die meditative Stille. Landgeruch inspiriert?

Auf Norderney stützt sich eine Dame am Nationalparkschild »Ruhezone« ab, um ihre Schuhe zu richten. Derweil spurtet ihr traurig-äugiger Retriever durch die Salzwiesen. Auf die Bitte, den Hund doch bitte anzuleinen, repetiert die Tierliebhaberin den Top-Hit der Tierliebhaber: »Mein Hund braucht doch Auslauf und hier ist es doch so schön.«

Ahnliches sagt der Borkumer, der seine beiden Rottweiler unangeleint durch die Dünen toben lässt (Ruhezone), ohne Blickkontakt. Nach zehn Minuten hat der Mann seine Hunde verloren. »Die lieben das, durch die Dünen zu jagen.«

Der Mann auf Juist ist stolz auf seinen Schäferhund. Sein Liebling hält einen zerquetschten Steinwälzer im Maul: »Dass der noch richtig jagen kann!«

Auf Wangerooge ist im vergangenen Sommer ein Spielgerüst auseinandergebrochen und hat ein Kind unter sich begraben. Auf der Luxusinsel Norderney sehen die Spielplätze nicht sicherer aus. Kostenlose Kinderangebote gibt es wenige - auf allen Inseln. Aber Hundestrände. Hunde (beziehungsweise ihre Besitzer) müssen auch keine Kurtaxe zahlen, obwohl sie die Gegend vollscheißen und die Verwaltungen für teuer Geld Kotboxes aufstellen müssen. Jede Insel investiert zehntausende Euros für hundefreundliche Infrastruktur. Leinenzwang für Hunde gilt nur während der Saison und auch dann pfeifen Halter wie Behörden meist darauf. Mittlerweile ist es fast überall guter Brauch, Hunde morgens einfach vor die Tür zum Freigassi zu schicken.

Zur Abwechslung mal was Nettes über Hunde? Bitte sehr: Sie richten im Nationalpark weniger Schaden an als Katzen und Frettchen (gezähmte Marder).

Die Universität Osnabrück untersuchte zusammen mit dem Mellumrat in einem festgelegten Gebiet auf Wangerooge die Aufzucht von Kiebitzen. Die Brutpaare haben gebrütet, kein Jungvogel hat überlebt; Katzen haben sie aufgefressen. Auf Norderney sind in signifikantem Maße Kolonien von Möwen und anderen Seevögeln nicht zur Aufzucht gekommen. Zögernd, aber dann doch offen gibt die Nationalverwaltung zu: Norderney hat ein Problem - Frettchen!

Die domestizierten Marder wurden zur Karnickeljagd eingesetzt und jetzt laufen sie frei herum. Schon vor 20 Jahren wurden auf Norderney Frettchen gezüchtet, nicht nur von Jägern, auch von Leuten, die das chic fanden. Und wenn Weibchen mit Männchen verwechselt wurden, dann »flüchtete« schon mal der eine oder andere Wurf.

Frettchen sieht man in der Regel nicht, Hunde schon. Die Jägerschaft sucht doch nach neuen Betätigungsfeldern, oder? Kormorane trifft man so schlecht, Krähen dürfen nur mit Knüppeln erschlagen werden. ... - Aber eigentlich, sagt meine Frau, sind ja nicht die Hunde das Problem, sondern die Hundehalter/innen...

 
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