Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 297 (November 2008)

Küstenvögel: Gefährdung durch Frettchen, Igel, Ratten und Klima

Die erheblichen Lebensraumverluste durch den Tourismus werden dabei nicht erwähnt

Nun endlich entdeckt auch die Nationalparkverwaltung die Gefährdung von Küstenvögeln durch u.a. Frettchen (zahme domestizierte Iltisse), die bei der Kaninchenjagd auf den Inseln verwendet werden. Daraufhin hatte schon im August 2008 der Wattenrat Ost-Friesland hingewiesen, die damals dazu abgesetzte Pressemitteilung fand nicht die Aufmerksamkeit der Redaktionen der Regionalzeitungen und fiel unter den Tisch. Aber dpa/lni berichtete nach Hinweisen des Wattenrates ausführlich am 03. September 2008 über das Thema (siehe unten). Und "das Klima" wird vom Nationalparkleiter Südbeck bemüht: Sand- und Seeregenpfeifer leiden aber nicht unter dem Klima, sondern unter direkten Lebensraumverlusten durch den Tourismus, das kann Herr Südbeck in der niedersächsische "Roten Liste" der bedrohten Brutvogelarten aus 2007 nachlesen.

Mit Springfluten während der Brutzeit leben Küstenvögel seit Jahrtausenden, vor zweitausend Jahren gab es noch nicht einmal die Inseln. Den Massentourismus mit der intensiven Strandnutzung, dort wo eigentlich die Strandbrüter ihren Lebensraum haben, gibt es aber erst seit wenigen Jahrzehnten, und gerade der Massentourismus schränkt diese Lebensräume erheblich ein! Bereits 2001 wurden durch die Nationalpark-Gesetzesnovellierung auf Druck der Tourismus-Industrie (die jetzt das Prädikat UNESCO-Weltnaturerbe für noch mehr Tourismus im Schutzgebiet haben möchte) ca. 90 Gebiete aus dem Nationalpark herausgenommen oder in der Zonierung herabgestuft, zu Lasten der Brutvögel an der Küste.

Auf Wangerooge wurden schon in den vergangenen Jahren Igel auf der Inseln abgesammelt und auf dem Festland wieder ausgesetzt. Die Frettchen sollen nun "mit Fallen" gefangen werden? Und dann? Ein Verbot der Frettchenjagd in empfindlichen Bereichen des Nationalparks ist das Gebot der Stunde zur Rettung der Küstenvögel auf den Inseln, nicht aber das viel strapazierte Zeitgeistthema "Klima".

Wir zitieren aus der Ostfriesen Zeitung, 11. Nov. 2008:

Experten sorgen sich um Vögel auf den Inseln

NATUR Nationalpark-Leiter Südbeck: Frettchen und Ratten werden zur Bedrohung

Die Lebensräume der Brutkolonien werden aber auch durch höher auflaufende Fluten eingeengt.

WILHELMSHAVEN / LNI - Frettchen, Wanderratten und hungrige Igel bedrohen auf den Nordseeinseln zunehmend die Existenz von Seevögeln. Die sich nach Beobachtungen von Ornithologen rapide vermehrenden Tiere fräßen Eier und den Nachwuchs der brütenden Vögel. Auch verwilderte Katzen bereiteten in einigen Vogelkolonien Probleme, sagte der Leiter des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer, Peter Südbeck (Wilhelmshaven). Die Lebensräume der Brutvögel an der Küste würden zudem immer häufiger durch hohe Fluten eingeengt. Seit mehreren Jahren liefen die Gezeiten zur Brutzeit höher als normal auf und setzten wertvolle Vogelbestände unter Druck. Derzeit sei zwar noch kein direktes Ansteigen des Meeresspiegels zu beobachten, da auch das Deichvorland durch Sedimente mitwachse. "Es gibt aber seit mehreren Jahren hintereinander zur Brutzeit im Juni sommerliche Sturmund Springfluten", sagte Südbeck. Dadurch seien zahlreiche junge Möwen und Seeschwalben ertrunken. Einige Vogelarten könnten solche Verluste nicht mehr ausgleichen. Nach 100 Jahren Seevogelschutz in Deutschland müssten sich Natur- und Vogelschützer mit dem Wandel des Weltklimas auseinandersetzen, sagte Südbeck. Strategien für einen Umgang mit den Veränderungen und direkte Maßnahmen für den Artenschutz seien erst dann sinnvoll, wenn Ursachen und Wirkungen auf Salzwiesen und Inseln besser aufgeklärt seien. "Es gibt keine simplen Lösungen wie etwa das Aufhängen von Nistkästen hinterm Deich." Im Nationalpark gebe es aber etwa ausgedehnte Ruheflächen für Vogelarten, die am Strand brüteten.

"Im Moment haben wir dadurch zum Beispiel bei Brandseeschwalben eine schöne Bestandsentwicklung und eine stabile Situation", sagte der Vogelexperte. Die einzige Kolonie dieser Art in Niedersachsen sei so groß wie seit Jahren nicht mehr. Dagegen gehe es Sand- und Seeregenpfeifern nicht gut, auch bei Flussseeschwalben gebe es einen negativen Trend. Selbst der auffälligste Vogel an der Küste, der Austernfischer, sei seit zehn Jahren leicht auf dem Rückzug. Ursache sei vermutlich ein verändertes oder verringertes Nahrungsangebot. Bestandsprobleme lösen die Vogelschützer zum Teil mit der Hilfe von Jägern. So werden auf Norderney Fallen aufgestellt, um Frettchen zu fangen. Bei Igeln wird versucht, ihnen den Zugang zu den Vogelkolonien zu versperren.

Anfrage des Wattenrates:

Briefkopf Wattenrat Ost-Friesland
An die
Verwaltung des
Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer 09. Aug. 2008
Virchow Str. 1
Wilhelmshaven
per Fax

Insel Norderney - Frettchen auf Norderney

Sehr geehrte Damen und Herren,
dem nachfolgenden Zeitungsbericht in der Emder Zeitung entnehme ich, dass Frettchen (domestizierte Iltisse zur Jagdausübung) eine erhebliche Gefahr für wildlebende bodenbrütende Vögel geworden sind. Nach Dr. Temme, Norderney, wird der Verlust der gesamten Lachmöwenkolonie auf die ausgesetzten Marder zurückgeführt. Andere Bodenbrüter sollen ebenfalls bedroht sein. Von der Jägerschaft (Jagdaufseher Niedersachsen), siehe Auszug aus deren WebSeite ganz unten), wird das Vorkommen bestätigt.

Ich bitte daher um Auskunft, welche Maßnahmen die Nationalparkverwaltung im Sinne des Artenschutzes für die Brutvögel veranlasst hat, den Bestand der Frettchen nachhaltig zu dezimieren. Eine Handhabe wäre der Paragraf 8 des Nationalparkgesetzes, nach dem die Nationalparkverwaltung bestandslenkende Maßnahmen zur Dezimierung der Frettchen veranlassen kann. Ferner bitte ich um Auskunft, wer von der Jägerschaft der Insel (die Anzahl ist überschaubar) Frettchen hält und ausgesetzt hat und welche Ordnungsmaßnahmen gegen den oder die Verursacher eingeleitet wurden. Es ist wieder einmal bezeichnend, dass sich Jäger, deren Landesjägerschaft in Niedersachsen als "anerkannter" Naturschutzverband registriert ist, in völliger Unkenntnis der Folgen für Bodenbrüter ihrem Hobby der Kaninchenjagd mit völlig ungeeigneten Mitteln auf einer Insel frönen und dabei den Verlust ganzer Arten in Kauf nehmen. Diesen Jägern sollte umgehend der Jagdschein entzogen werden!

Mit freundlichem Gruß
Manfred Knake

Wir zitieren eine dpa-Meldung; dpa, 03. Sept. 2008:

Nesträuber gefährden Bruterfolg der Säbelschnäbler auf Norderney

Norderney (dpa/lni) - Unnatürlich viele Fressfeinde gefährden den Bestand der in Kolonien auf Norderney brütenden Säbelschnäbler. Die Nationalparkverwaltung ließ 2007 in einer Studie knapp 100 Nester überwachen. Ergebnis: In mehr als jedem zweiten Gelege verschwinden die Eier. «Das reicht nicht aus, um die Population zu erhalten», sagte Petra Potel aus der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven am Dienstag. Auf der Insel brüte etwa jedes zehnte Säbelschnäblerpaar aus dem niedersächsischen Gesamtbestand.

Überwacht wurden die Kolonien mit Wärmesensoren in den Nestern und sogenannten Trittsiegeln, auf denen Tiere Spuren hinterlassen, wenn sie sich den Gelegen nähern. Sicher ist nach Angaben der Nationalparkverwaltung bereits, dass es auf der Insel viele wildlebende Frettchen gibt. Aber auch Ratten oder Igel kämen als Nesträuber in Frage. Mit einer weiteren, bis zum Frühjahr 2009 laufenden Studie will die Verwaltung den Fressfeinden nun auf die Spur kommen und eine Lösung erarbeiten. Dafür lässt sie auch Fallen aufstellen und arbeitet mit der Norderneyer Jägerschaft zusammen.

Wie die Frettchen auf die Nordseeinsel kamen und wie groß ihr Bestand inzwischen ist, sei noch unklar. Frettchen würden durchaus als Haustiere gehalten. Aber auch Jäger nutzten Frettchen und schicken sie in enge Bauten. Der Nationalparkverwaltung zufolge schließen es die Norderneyer Jäger aber aus, dass ihnen hin und wieder das ein oder andere Frettchen abhandengekommen sein könnte.

Wie Potel mitteilte, verlagern sich die Brutkolonien zunehmend vom Festland auf die Inseln. An der Leybucht zwischen Greetsiel und Norden (Kreis Aurich), einem beliebten Brutgebiet der Vögel, gebe es auch ein Problem mit Fressfeinden - dort seien es «mit hoher Wahrscheinlichkeit» Füchse, die sich über die Nester hermachten. Die Säbelschnäbler sind selten, aber laut Roter Liste 2007 nicht gefährdet.

 
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