Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 143 (Januar 2006)
"Glücksfall" Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer?
Public Relations und Wirklichkeit stoßen sich auch im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer mal wieder hart im sonst schlickig-weichen Raum
Reiner Schopf, 30 Jahre lang Vogelwart auf der Insel Memmert und einer der Wattenrat-Senioren, kommentiert aus seiner Sicht den angeblichen "Glücksfall" Nationalpark... für die Tourismusindustrie.
Die Nationalparkverwaltung indes macht mit der Eiderente auf "kleiner Tierfreund" und hat völlig vergessen, dass die Eiderenten im Wattenmeer noch vor wenigen Jahren wegen ihres Massen-Sterbens krampfhaft aus den Schlagzeilen herausgehalten wurden, "wegen der nahen Urlaubersaison"?
Wir zitieren aus der Ostfriesen Zeitung, Leer 12.01.2006:
Leserbriefe
Ein Happy-End ist unwahrscheinlich
Zum 20-jährigen Bestehen des Niedersächsischen Nationalparks Wattenmeer schreibt der frühere Vogelwart auf Memmert, Reiner Schopf aus Jakobsdorf.
Ein "Glücksfall" ist der Nationalpark vor allem für die, welche die Natur vermarkten, verbrauchen wollen: Werbung mit Öko-Anstrich ist ein Renner. In den 30 Jahren als Vogelwart auf Memmert kam ich zu der niederschmetternden Erkenntnis, dass weder die Politiker und Behörden noch Teile der Bevölkerung am Naturschutz ernsthaft interessiert sind. Deutlich wird das, wenn die Nationalpark-Verwaltung über die Presse an Outdoor-Enthusiasten appelliert, sich doch an die Ge- und Verbote zu halten. Durch Bitten lassen sich Hundehalter, Lenkdrachen-Freaks, Wassersportler und andere Outdoor-Fans nicht davon abhalten, die Natur beliebig zu nutzen.
Ein illegaler Golfplatz, die legalisierte Zerstörung von Muschelbänken mit anschließendem Eiderenten-Massensterben, eine Befahrensregelung im Sinne der Wassersport-Lobby und zahlreiche ähnliche Auswüchse des großzügigen Umgangs mit dem Naturschutzrecht sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache. Fischer, Jäger, Bauern und Angler fordern seit langem eine "Regulierung" von Seehunden, Gänsen, Eiderenten und Kormoranen mit Pulver und Blei. Küstenschutz ist auch dann eine heilige Kuh, wenn ohne Not und ohne Ausgleichsmaßnahmen wertvolle Biotope auf der Strecke bleiben. Die Umzingelung des Nationalparks mit Windrädern schreitet fort, obwohl die Folgen unabsehbar sind. Niemandem fällt auf, dass der Nationalpark auch 20 Jahre nach seiner Gründung international nicht anerkannt wird. Die Fiktion vom angeblich gut geschützten "Naturparadies" hat mit der traurigen Realität wenig zu tun.
Der Erfolg und Einfluss der real existierenden Naturschutz-Verhinderungslobby lässt ein Happy-End für die Tiere und einzigartigen Landschaften der Küste sehr unwahrscheinlich erscheinen.
Wir zitieren aus der Ostfriesen-Zeitung, Leer 12.01.2006:
Eiderenten fühlen sich wohl auf dem Meer
In diesem Jahr feiert der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer sein 20-jähriges Bestehen.
Getreu dem Jubiläums-Motto "Wo Mensch und Natur sich begegnen" gehen OZ und Nationalparkverwaltung einmal wöchentlich im Wattenmeer auf Entdeckungsreise. Heute OZ-SERIE (2)
In der Brutzeit kommt der Erpel mit einem Prachtkleid daher / Daunen sind begehrt Erscheinung treten. Seine Frau, die Eiderente, gibt sich da mit ihrem schwarz-braunen Gefieder zurückhaltender. Nicht aus falscher Bescheidenheit, sondern aus guten Grund: Das ist die perfekte Tarnung für die Brutzeit. Tarnung ist bekanntlich das halbe Leben. Wer dennoch eine Eiderente von ihrem Nest aufscheucht, bekommt ihre Kehrseite zugewandt: und einen Kotstrahl ins Gesicht. Das dürfte reichen, um den Getroffenen zukünftig auf Abstand zu halten. Beide Partner des Entenpaares fasten in der Brutzeit. Vier bis sechs Eier werden in das mit Daunen ausgepolsterte Nest gelegt und in etwa 28 Tagen ausgebrütet. Dabei verliert die Ente mit einem Kilo fast die Hälfte ihres Körpergewichts. Als Erster verlässt der Erpel den Brutplatz in den Strandhaferbeständen der Dünen und zieht sich für die Mauserzeit auf das Meer zurück.
Die Enten widmen sich vorerst weiter der Aufzucht des Nachwuchses, nicht selten arbeitsteilig: Die Küken werden in "Kindergärten" von mehreren Weibchen betreut. Während der Zeit des Federwechsels können Eiderenten und -erpel nicht fliegen und brauchen deshalb viel Ruhe.
Zu Tausenden suchen sie ungestörte Bereiche im Wattenmeer auf. Eiderenten fühlen sich wohl auf dem Meer. Als ausgezeichnete Schwimmer und Taucher suchen sie dort nach Muscheln, Schnecken und Krebstieren. Dabei schrecken sie vor Tauchtiefen bis zu 35 Metern nicht zurück. Die Beute, selbst Muscheln, werden als Ganzes geschluckt und anschließend im Kaumagen zerkleinert.
Eider-Daunen sind eine besonders kostbare Füllung für warme Kleidung und Betten. Keine Angst : die Tiere werden nicht gerupft, sondern die Daunen werden sozusagen "Second Hand" aus den verlassenen Nestern gesammelt und gereinigt. In Island, wo es riesige Kolonien der Enten an den felsigen Küsten gibt, bestehen zum Sammeln der Daunen alte Rechte für bestimmte Besitzer. Übrigens: Eine gute Möglichkeit, Eiderenten zu beobachten, bietet sich oft bei einem Hafenspaziergang.
Aus dem Archiv:
Wir zitieren aus dem Anzeiger für Harlingerland 25.04.2002 (S. 1):
Entensterben geht weiter
-mg- Norden. Das rätselhafte Eiderenten-Sterben an der ostfriesischen Küste geht offenbar weiter. Ein erschreckendes Bild zeigt sich derzeit am Deich zwischen Ostermarsch und Hilgenriedersiel: Überall liegen verendete Vögel. "Die Flut hat die Kadaver angespült", sagte Martin Schulze-Diekhoff vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz (NLWK) unserer Zeitung auf Nachfrage. Der Biologe sprach von einer insgesamt "bedenklichen Entwicklung." Seit mehreren Jahren nimmt die Zahl der toten Eiderenten zu: "Die genaue Ursache weiß aber noch niemand".
Unterdessen wird auch die Beseitigung der Kadaver zu einem Problem, weil die Zuständigkeiten nicht eindeutig geklärt sind. Man werde aber das Gespräch mit der Norder Deichacht und dem Landkreis Aurich suchen, kündigte Schulze-Diekhoff an: Auch angesichts der nahenden Urlaubssaison müsse man schnell handeln.