Tourismusverband Niedersachsen e.V.: Kartell vermarktet das „Weltnaturerbe“ Wattenmeer

Tourismusverband Niedersachsen – enge Verflechtungen zwischen Politik, Verwaltung und Kommerz

Der Tourismusverband Niedersachsen e.V., nicht die Naturschutzverbände, ist derzeit der öffentliche Meinungsmacher im „Welterbe“ Wattenmeer. Es geht um Vermarktung des Wattenmeerraumes mit öffentlichen Mitteln und ein bisschen Naturschutzkosmetik.

Die Konstruktion des Tourismusverbandes Niedersachsen e.V. macht deutlich, dass der Verband ein Kartell aus Politik, Verwaltung, Touristikvereinen und der Gastronomie ist. Allein vier Landräte oder deren Vertreter  sind zusammen mit drei Vertretern von Tourismusorganisationen im neunköpfigen Vorstand vertreten.

Realsatire: Wilkommen im Weltnaturerbe, Norderney, Juli 2010

Im Tourismusverband Niedersachsen (TVN) haben sich touristische Regionalverbände und Fachverbände zusammengeschlossen. Der TVN dient ihnen primär als Interessenvertretung, Lobbyorganisation und „Sprachrohr“.[…]Eine wichtige Kernaufgabe im Portfolio des TVN ist die jährliche Durchführung eines parlamentarischen Abends. Hierzu werden die tourismuspolitischen Sprecher inklusive ihrer Stellvertreter sowie der Wirtschaftsausschuss des niedersächsischen Landtags eingeladen.

Die Bewertung zum einjährigen Bestehen des „Weltnaturerbes“ Wattenmeer (ganz unten) durch den Landrat Sven Ambrosy, Vorsitzender des Tourismusverbandes, spiegelt denn auch den Wahrnehmungshorizont der Touristiker über das Wattenmeer wieder. Es geht den Tourismusverband ausschließlich um die Vermarktung des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer mit dessen neuem Etikett „Weltnaturerbe“, die Verbesserung der Schutzinhalte dieses Massentourismus- und Schutzgebietes steht für Touristiker überhaupt nicht zu Debatte.

24 Jahre nach Einrichtung des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer „sieht“ Ambrosy „als Zukunftsaufgabe“ die Entwicklung eines nachhaltigen und naturverträglichen Tourismuskonzeptes für das gesamte Welterbe-Gebiet“, und fordert gleichzeitig die „Erlebbarkeit“ mit „verbesserten Zuwegungen im Nationalpark“. Der Nationalpark ist jedoch ausreichend durch ein markiertes Wegesystem erschlossen, die Erlebbarkeit seit 24 Jahren gegeben. „Naturverträglicher Tourismus“ hätte längst seit 24 Jahren ohne das Etikett „Weltnaturerbe“ seit Einrichtung der Wattenmeer Nationalparks in Deutschland betrieben werden müssen, nicht erst seit einem Jahr mit dem neuen Etikett.

Stattdessen wurde der Nationalpark Niedersächsisches  Wattenmeer bereits 2001 mit einer Gesetzesnovellierung durch Kommunalpolitiker und die damalige SPD-Landesregierung unter Ministerpräsident Gabriel demontiert; fast 90 Gebiete wurden damals aus dem Nationlapark herausgenommen oder in der Zonierung herabgestuft und der touristischen Nutzung zugeführt, dafür reine Wasserflächen vor den Inseln ohne Nutzungseinschränkungen hinzugefügt. Im letzten Jahr wurden wieder neue Flächen für Kitesurfer in ausgewiesen Schutzzonen des Nationalparks (Zwischenzonen) ausgewiesen, obwohl das Nationalparkgesetz dies eindeutig verbietet. Es gibt lediglich sechs Ranger auf fast 3.500 qkm Nationalparkfläche in Niedersachsen, ohne Boote und Kompetenzen. Die Wattenmeer-Nationalparke sind in den letzten Jahren systematisch zu Freizeitparks ausgebaut worden, Naturschutzinhalte wurden völlig vernachlässigt und so zur Beute der Tourismusindustrie. Dass der Nationalpark Wattenmeer in Niedersachsen auch dem Schutz der EU-Richtlinien (FFH-Gebiet und Vogelschutzgebiet)  mit allen sich daraus ergebenden Naturschutz-Verpflichtungen unterliegt, wird von den Touristikern zudem einfach ignoriert. Gerade die Hauptverwaltungsbeamten der Landkreise haben als regionale Exekutivorgane die Pflicht, die Einhaltung der rechtlichen Naturschutzvorgaben sicherzustellen. Offensichtlich unterliegen die Mitglieder des Tourismusverbandes Niedersachsen einem völligen Realitätsverlust über die Naturschutzinhalte im Großschutzgebiet Nationalpark Wattenmeer.

Verbotener Liegeplatz im "Weltnaturerbe" auf Seehundsbank

An der neuen Vermarktungsstrategie in den Wattenmeer-Nationalparks sind die großen Naturschutzverbände BUND, NABU oder die Stiftung WWF ebenfalls beteiligt. Diese Naturschutzorganisationen sind kaum noch im aktuellen Naturschutz-Tagesgeschäft präsent und durch die finanzielle Abhängigkeiten von Landesmitteln beim Betrieb der Nationalparkhäuser im tatsächlichen Wattenmeernaturschutz sehr still geworden.

Link:  Tourismusverband Niedersachsen,  Presseunterlagen_16.072010

Mitglied im Tourismusverband Niedersachsen e.V. ist auch der Tourismusverband Nordsee e.V.,  Vorsitzender: ebenfalls Sven Ambrosy (SPD), Landrat des Landkreises Friesland. Ambrosy ist auch Vorsitzender des Tourismusverbandes Niedersachsen.

Der Tourismusverband Nordsee e.V. ist ein ausschließlich touristischer Lobbyverband und „Sprachrohr“ der niedersächsischen Nordseeküste, um die touristischen Interessen der Region u.a. gegenüber EU, Bund, Land zu vertreten. […] Mitglieder des Tourismusverband Nordsee sind die Landkreise Ammerland, Aurich, Cuxhaven, Friesland, Leer, Wesermarsch, Wittmund, die kreisfreien Städte Emden und Wilhelmshaven, die Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhemshaven, die Seestadt Bremerhaven, die Industrie- und Handelskammern Bremerhaven, Oldenburg, Ostfriesland-Papenburg, Stade und die Marketinggesellschaften „Die Nordsee GmbH“ sowie „Ostfriesland Tourismus GmbH“.

Hier gerät der Landrat in einen Interessenkonflikt. Er hat zunächst als gewählter Landrat und Hauptverwaltungsbeamter die Aufsicht über die Einhaltung der gesetzlichen Naturschutzvorgaben in seinem Landkreis, und das kann mit den Nutzungsansprüchen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer in seinem Kreisgebiet kollidieren!

Mitglied im Tourismusverband Nordsee e.V. ist wiederum die Ostfriesland Touristik GmbH mit ihrem Vorsitzenden Walter Theuerkauf (SPD), Landrat des Landkreises Aurich. Theuerkauf ist zugleich Vorsitzender des Nationalparkbeirates des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer!

Presseverteiler                                                                                            Jever, 16.07.2010

Tourismusverband Niedersachsen e. V. bestätigt Vorstand

– Sven Ambrosy zum Vorsitzenden wiedergewählt

Die Mitglieder des Tourismusverbandes Niedersachsen e. V. haben vergangenen Freitag auf ihrer Versammlung in Hannover Frieslands Landrat Sven Ambrosy erneut zum Vorsitzenden gewählt. Als Stellvertreter wurden Marianne Hiebing (Vorstandsvorsitzende Touristikverband Emsland) und Dr. Reinhold Kassing (Erster Kreisrat, Landkreis Osnabrück) berufen. Zum weiteren Vorstand gehören Michael Beck (Geschäftsführer Hannover Holding), Michael Bitter (Geschäftsführer GOSLAR marketing), Rüdiger Butte (Landrat, Landkreis Hameln-Pyrmont), Hans-Werner Schwarz (Erster Kreisrat, Landkreis Grafschaft Bentheim), Detlef Schröder (Erster Vorsitzender DEHOGA-Fachgruppe Hotels) und Cord Henneicke (Stellv. Vorsitzender der AG Urlaub und Freizeit auf dem Lande). Als Geschäftsführerin wurde Sonja Janßen (hauptberuflich Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Nordsee) wiedergewählt.

Der für weitere vier Jahre jeweils einstimmig gewählte Vorsitzende hob in seinem Jahresbericht besonders die Bedeutung des Tourismus als den herausragenden Wirtschaftsfaktor in Niedersachsen hervor. Der Wettbewerb um Urlauber und Reisende nimmt aber stetig zu. Ziel muss es daher sein, die in den Reiseregionen Niedersachsens initiierten und vom Land unterstützten touristischen Masterpläne zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit umzusetzen, um durch Investitionen und Angebotsverbesserungen die wirtschaftlichen Effekte des Tourismus zu sichern und möglichst auszubauen.

Auszug Presseinformation 16. Juli 2010

Ein Jahr Wattenmeer als UNESCO-Weltnaturerbe

Das Wattenmeer ist vor einem Jahr als eine der letzten ursprünglichen
Naturlandschaften Mitteleuropas in die Liste der Weltnaturerbestätten
der UNESCO aufgenommen worden. Das Wattenmeer steht damit auf einer
Stufe mit so bekannten Naturwundern wie dem Great Barrier Reef, dem
Grand Canyon, den Galapagos Inseln oder dem Serengeti Nationalpark.
Die Ernennung zum UNESCO-Weltnaturerbe ist nach Meinung von Sven
Ambrosy, Vorsitzender der Tourismusverbände Niedersachsen und Nordsee,
eine Auszeichnung für den Naturschutz und ein Ritterschlag für
Niedersachsen. „Die Tourismuswirtschaft und die Menschen vor Ort
können von dem Welterbe-Titel profitieren“, ist sich Ambrosy sicher.

Für Urlauber, die an naturnahem Tourismus interessiert sind, wird der
Weltnaturerbe-Titel ein weiterer Grund sein, die niedersächsische
Nordsee zu besuchen. „Wir müssen das UNESCO-Weltnaturerbe im In- und
Ausland bekannt machen und auf die Bedeutung als einzigartiges
Ökosystem mit besonderer Artenvielfalt hinweisen“, sagt Frieslands
Landrat Sven Ambrosy. Bislang weist der Nationalpark Niedersächsisches
Wattenmeer trotz seines Alters noch einen vergleichsweise niedrigen
Bekanntheitsgrad auf.

Laut einer Umfrage von der Julian-Maximilian-Universität in Würzburg
unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Hubert Hub besuchen deutlich
mehr Menschen aus den angrenzenden Regionen/Bundesländer den
Nationalpark, geringer sei der Anteil an Besuchern aus
Süd-/Ostdeutschland. Gäste aus dem Ausland sind kaum vorzufinden. Um
den Bekanntheitsgrad im In- und Ausland zu steigern haben die
Touristiker im letzten Jahr eine Menge an Aktivitäten auf die Beine
gestellt. Unter dem Motto „Fit für das Weltnaturerbe“ hat eine
gemeinsame Vortragsreihe mit der Nordsee GmbH und der
Nationalparkverwaltung stattgefunden. Ziel des Projektes war die
Aufklärung und Information zum Weltnaturerbe, um vor allem die
Bewohner zu motivieren und um später auf Fragen seitens der Gäste
besser einzugehen. „Nur, wenn eine Region stolz auf sich ist und sie
liebt, kann sie sich auch selbst vermarkten“, so Ambrosy.

Zahlreiche Flyer und Poster vor Ort machen auf das Weltnaturerbe
aufmerksam. Zum 1. Geburtstag des Wattenmeeres wurde im Rahmen einer
Festveranstaltung zum 150-jährigen Bestehen des Nordseeheilbades
Horumersiel-Schillig im Landkreis Friesland im Beisein des damaligen
Ministerpräsidenten Christian Wulff, 20 weiße Robben-Skulpturen an
Repräsentanten verschiedener Orte an der niedersächsischen
Nordseeküste und den Ostfriesischen Inseln feierlich übergeben. „Dies
ist nur der Anfang“, so Ambrosy. Als weitere Zukunftsaufgabe sieht der
Vorsitzende die Entwicklung eines nachhaltigen und naturverträglichen
Tourismuskonzeptes für das GESAMTE Welterbe-Gebiet. „Wir müssen dabei
den Faktor „Qualitätstourismus“ im Auge behalten und mit authentischen
Angeboten, die im Einklang mit den Schutzzielen des Nationalparks
stehen, das Weltnaturerbe erlebbar machen“, betont Ambrosy. Vom Land
Niedersachsen fordert er Unterstützung für infrastrukturelle
Maßnahmen, um den Besuchern den Zugang zum Weltnaturerbe Wattenmeer zu
verbessern.

Die Studie von Herrn Prof. Dr. Job hat insbesondere die
regionalökonomischen Effekte des Tourismus im Nationalpark
Niedersächsisches Wattenmeer detailliert untersucht. Demnach werden in
der Region rund eine Mrd. Euro Bruttoumsatz generiert. Das Gastgewerbe
profitiert vor allem von den Besuchern im Nationalpark.

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