Schlicktrübungen durch Enercon „E-Ship 1“ und Schlickkonditionierer „Meerwal“ im Emder Hafen
von Eilert Voß
Am 01. Juli 2010 lag das neu gebaute Flaggschiff des Windanlagenherstellers Enercon, die „E- Ship 1“ mit den markanten Flettner-Rotoren am westlichen Teil des Nordkais im Emder Hafen, fest vertäut an Pollern. Die Dieselmotoren haben eine Leistung von 2 x 4766 PS. Die Maschine lief, trotz des festgemachten Schiffes, es fand eine „Standprobe statt“.
Über Stunden wurde die Hauptmaschine des Seeschiffes so unter voller Last getestet, bevor das mit Flettner- Rotoren (eine Konstruktion aus den 1920er- Jahren) ausgerüstete Schiff zu seiner ersten Reise den Emder Hafen verlassen und seine Werbefahrten für die umweltfreundliche Alternative zu konventionellen Schiffsdieselantrieben auf PR- Reisen weltweit beginnen kann.
Standproben sind keine ungewöhnlichen Vorgänge im Emder Hafen. Die Nordseewerke testete ihre Neubauten wahrend der gesamten Firmengeschichte auf die gleiche Art, nur nicht am Nordkai, sondern direkt am westlichen Teil des Zungenkais am Liegeplatz Nr.1 der ehemaligen Traditions- Werft.
Bei stundenlangen Standproben schaufeln Schiffspropeller große Mengen Schraubenwasser aus Richtung Vorschiff ins Kielwasser, soviel zum besseren Verständnis. Das gesamte Wasservolumen des Emder Hafens geriet bei der Standprobe am 1. Juli 10 zwischen dem Nord- und Südkai in eine rechts umlaufende Kreisbewegung mit starker Querströmung im Bereich der Großen Seeschleuse. Während einer ganz „normalen“ Standprobe lösen sich aus dem Nahbereich eines „Testschiffes“ schwach sedimentierte Schwebstoffe vom Hafengrund und werden großflächig in der gesamten Wassersäule des Hafenwassers verteilt. Dies geschieht in abgeschwächter Form ebenfalls beim Durchfahren des Hafens, wenn Seeschiffe mit ihrem Eigenantrieb die Hafenschlepper bei Manövern unterstützen.
Standproben hat der Fischbestand des Emder Hafens in der Vergangenheit weitgehend verkraftet, zumindest sind dem Wattenrat keine Fischsterben bekannt, die im Zusammenhang mit Maschinenerprobungen aufgetreten sind. Auch ist nicht bekannt, ob in der Vergangenheit von den Behörden Gewässermessungen stattfanden, die eine Aussage darüber ermöglichen, ob Standproben zu einer Remobilisierung von sedimentierten Schadstoffen führen.
Dies zum Hintergrund des Problems der Standproben in einem Hafen mit relativ hohem, leicht schwebendem Fluid- Schlick- Anteil und geringer Wassertiefe mit einem erhöhten Schadstoffanteil im Bodensediment durch jahrelangen Eintrag von Organozinnverbindungen wie Tributylzinn-Benzoat (TBT) und ähnlichen Stoffen, die in den Unterwasseranstrichen der Seeschiffe Verwendung fanden.
Bekannt ist dem Wattenrat, dass Aale aus dem Emder Hafen eine höhere Quecksilberkonzentration aufweisen als Aale, die in der tideoffenen Ems gefangen werden. Bekannt ist dem Wattenrat auch, dass der mit Schadstoffen belastete Hafenschlick vor der Verspülung auf landwirtschaftliche Nutzflächen im Riepster Hammrich mit weniger belastetem Schlick aus der Ems „gemischt“ wurde. Studenten des Fachbereichs Umweltplanung brachten das in den 80er Jahren ans Tageslicht und zogen sich damit den Zorn der Emder Obrigkeit zu. Die Folge: Ein zugesagter Veranstaltungsraum für die Ausstellung „Ostfriesland 2000“ wurde kurzerhand gesperrt und nur der ev. Ref. Kirche ist es zu danken, dass die kritische Ausstellung zu den Emder Hafenproblemen stattfinden konnte, aber dies nur nebenbei.
Jetzt zum Problem: Zeitgleich mit der Standprobe des E- Ships am Nordkai und damit zusammenhängender starker Rotation des Wasserkörpers fand am Innenhaupt der Großen Seeschleuse eine sogenannte „Schlickkonditionierung“ (siehe auch ddp-Meldung vom 02. Juni 2010) des Baggerschiffes „Meerwal“ statt.
Gleichzeitig war der Schlepper „Harm“ eingesetzt, der eine Egge über den Grund des Emder Hafens zog und verfestigtes Sediment lockerte. Bei dem neuartigen Verfahren der Schlickkonditionierung werden Sedimente verschiedener Konsistenz vom Hafenboden in den Laderaum des Baggers befördert, dort gemischt und als homogene Masse genau an die Stelle des Hafenbodens zurückbefördert, von der man das Sediment vorher entnahm.
Dieses neue Baggerverfahren hält den Emder Hafen schiffbar, ohne dass man das störende Sediment vom Hafenboden entfernt und landseitig deponiert. Das Problem bei der Schlickkonditionierung ist jedoch das instabile Verhalten des durchmischten Baggergutes. Man spricht in Fachkreisen vom sogenannten „Ketchup- Effekt“. Trifft auf die konditionierte Schlickmasse ein Wasserstrom, gerät die Masse in Bewegung und verteilt sich, wie im vorliegenden Fall, im gesamten Hafenbecken. Schlamm lagert sich in strömungsberuhigten Zonen, Hafeneinschnitten, Schleusenkammern und dergleichen ab. Dies konterkariert den Einsatz des Baggerschiffes, denn das gesamte bearbeitete Sediment wird nicht an seinen Förderstandort zurück verbracht.
Als Folge der Standprobe des Enercon-Schiffes am Nordkai wäre es ohne die zeitgleich praktizierte Schlickkonditionierung auch zu einem leicht erhöhten Schwebstoffanteil in den oberen Wasserschichten des Hafens gekommen.
Der Einsatz der „Meerwal“ vergrößerte das Problem nach Einschätzung des Wattenrates jedoch um ein Vielfaches.
Dunkle Schlammwolken wälzten sich vertikal im Wasserkörper des Hafens, wurden vom Schiffsantrieb des E- Ships in Bewegung gehalten und reicherten sich im Bereich der „Meerwal“ zu einer dunklen, trüben Masse an. Auf der Wasseroberfläche bildete sich Eiweißschaum von zerschlagenen Wasserorganismen. Aus dem ersten Dezimeterbereich des Oberflächenwasserswurde von einem Mitarbeiter des Wattenrates und einem Zeugen direkt am Innenhaupt der Seeschleuse um 16:10 Uhr eine Wasserprobe genommen. Zugleich wurden vom verschlammten Hafenwasser Belegfotos gefertigt.
Der Wattenrat fordert für die Zukunft, dass Schlickkonditionierungen, zeitgleich mit Standproben im Emder Hafen nicht mehr stattfinden sollten. Die Emder Hafenbehörde wird aufgefordert, sich mit dem Problemder Gewässergüte im Zusammenhang mit Standproben und zeitgleichen Baggerungen zu beschäftigen und sie für die Zukunft auszuschließen.
Der Wattenrat schlägt vor, dass Standproben nur noch in Gewässern stattfinden sollten, die schwebstoff- und organismenarm sind, will man die Gefahr von Sauerstoffzehrung und Botulismus ausschließen. Standproben müssen daher umgehend an die See in Höhe von Eemshaven verlagert werden. Das ist, zugegeben, teurer, weil Testschiffe mit Schlepperhilfe zu geeigneten Kaianlagen außerhalb des Emder Hafens verholt werden müssen. Ökonomische Abwägungen sind in dieser Angelegenheit jedoch fehl am Platz.
Enercon Windblatt 2/2010
E-Ship 1 in der Erprobung
Das innovative ENERCON Transportschiff, E-Ship 1, befindet sich nach den erfolgreich durchgeführtenFarbarbeiten wieder zurück in der Cassens-Werft und geht nun in die Erprobungsphase. Nördlich von Borkum werden neben den üblichen Probefahrtsmanövern, die der Germanische Lloyd als Klassifizierungsgesellschaft begleitet, auch die ersten Segelversuche stattfinden. Zuvor erfolgten erfolgreiche Standerprobungen im Emder Hafen sowie zahlreiche Komponententests.
Neben vielen anderen Innovationen ist das E-Ship 1 mit vier Segelrotoren (rotierende Zylinder) ausgerüstet, die von Elektromotoren angetrieben werden und in Verbindung mit dem vorbei streichenden Wind Schub erzeugen. Ähnlich einem klassischen Segel, nur zehnmal effektiver. Diese Technik wurde in den 1920iger Jahren von Anton Flettner bereits erfolgreich erprobt, verlor durch Einführung der Dieselmotorendamals jedoch schnell an Bedeutung.[…]