Tourismus: Das Wattenmeer als Beute

Vermarktung des Etiketts „Weltnaturerbe“

Im Columbia-Hotel in Wilhelmshaven feierte sich die Tourismuswirtschaft selbst und das von ihr initiierte Label „UNESCO-Weltnaturerbe„, für noch mehr Tourismus im und am Wattenmeer.

Kiter und Badebetrieb Nordstrand Borkum


Zitat:

Die Auszeichnung mit dem internationalen Titel sollte nach Ansicht der Experten nicht zu Schnellschüssen bei Tourismuskonzepten für das Wattenmeer führen. Die Kritik an einer allzu starken Vermarktung des Gebietes sei zwar falsch, müsse aber ernst genommen werden, sagte Sven Ambrosy vom Tourismusverband Nordsee. Der Lebensraum für zahlreiche Vögel und Pflanzen in einer weltweit einzigartigen Landschaft müsse zunächst geschützt werden, bevor er behutsam für den Tourismus weiter entwickelt werden dürfe.

"Nationalpark"platz Dornumersiel, LK Aurich Foto: Voß/Wattenrat

„Behutsam“ war nie und ist nicht: Der Massentourismus ist seit langem DIE zentrale Belastung für das Wattenmeer; haben diese smarten aber geschichtsvergessenen Vermarkter zusammen mit dem Nationalparkleiter Südbeck eigentlich schon mal etwas vom „Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltprobleme der Nordsee“ aus dem Jahre 1980 (!) gehört? Schon vor dreißig Jahren wurden die erheblichen Tourismusprobleme mit der damit verbundenen Gefährdung der Tiere und Pflanzen des Wattenmeeres artikuliert und davor gewarnt.

Flugplatz Insel Juist, zweithöchste Start- und Landefrequenz in Niedersachsen nach dem Verkehrsflughafen Hannover Foto: Wattenrat

Seit 1976 ist das Wattenmeer „Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung“ nach der Konvention von Ramsar, seit 1979 in Niedersachsen Landschaftsschutzgebiet und EU-Vogelschutzgebiet, seit 1986 Nationalpark in Niedersachsen. Das Wattenmeer ist also seit langem geschützt, auf dem Papier, der Schutzstaus wurde aber seit 2001 ständig herabgefahren (siehe auf unseren Seiten vom Oktober 2006: „EU-Kommission hat Beschwerdeverfahren eingestellt„) und ständig neue Nutzungen zugelassen, zuletzt durch die Genehmigung von Flächen für Kitesurfer (siehe auf unseren Seiten vom Oktober 2009: „Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer: Immer mehr Kitesurfer„). Die realen Übernachtungszahlen dagegen liegen heute zwischen Cuxhaven und Emden bei ca. 37 Millionen jährlich, nicht bei den genannten „24 Millionen“, die Dunkelziffer ist durch nicht erfasste Häuser unter neun Betten und den Tagestourismus erheblich höher. Nun sollen es mit dem Etikettenschwindel „Weltnaturerbe“ noch mehr Touristen werden. Auch das zwischenstaatliche Internationale Wattenmeersekretariat (CWSS) in Wilhelmshaven entpuppt sich jetzt als Tourismusagentur pur. Neues Motto: If you can´t beat them, join them?

Offensichtlich herrscht ein totaler Realitätsverlust in Verbindung mit glattem PR-Jargon bei den Touristikern, dem Wattenmeersekratriat und der Nationalparkverwaltung: Sie fordern jetzt, nach Jahrzehnten der internationalen Schutzbemühungen „Bewusstsein schaffen für eine einzigartige Landschaft“ und wollen diese Landschaft gleichzeitig verhökern. Tatsächliche dringend gebotene Schutzbemühungen sind nicht in Sicht. Ein kritisches Gegengewicht durch die Pressearbeit der 14 „anerkannten“ Naturschutzverbände in Niedersachsen gibt es seit Jahren nicht mehr: „Die Kritik an einer allzu starken Vermarktung des Gebietes“ kam denn auch ausschließlich vom Wattenrat, und sie wird wahrgenommen, mehr aber nicht.

Badefreuden auf der Salzwiese: Hilgenriedersiel. LK Aurich Foto: Wattenrat

Rückseitenwatt Norderney: illegale Kitesurferausbildung Foto: Wattenrat

Wir zitieren:

Pressemitteilung der „TourismusMarketing Niedersachsen GmbH (TMN)“, presse-pool niedersachsen (auch als pdf-Datei verfügbar, ca. 192 KB):

Nordsee Tourismustag thematisiert das Weltnaturerbe Wattenmeer

Bewusstsein schaffen für eine einzigartige Landschaft

Schortens/Wilhelmshaven, 14.01.2010

Mit der Überschrift „Ausgezeichnet! Willkommen im Weltnaturerbe“ veranstaltete die Nordsee GmbH gemeinsam mit dem Tourismusverband Nordsee e.V. den diesjährigen Nordsee Tourismustag. Anlass dafür war nicht nur die Aktualität, sondern auch der immer noch vorhandene Informationsbedarf bei politischen und touristischen Vertretern der Region sowie den touristischen Leistungsträgern entlang der Küste und auf den Ostfriesischen Inseln.

Rund 120 Gäste folgten der Einladung in das Columbia Hotel Wilhelmshaven, um sich über das neuernannte Weltnaturerbe und die Möglichkeiten der touristischen Vermarktung zu informieren. Über die Bedeutung einer solchen Auszeichnung und die damit verbundene Verantwortung sprach Jens Enemark, Leiter des Gemeinsamen Wattenmeersekretariats, im ersten Vortrag des Tages. Enemark gilt als einer der Urväter und Initiatoren des neuernannten Naturerbes und beschrieb in seinem Vortrag den fast 20jährigen Prozess von der ersten Anmeldung des Wattenmeeres beim UNSECO-Welterbekomitee bis zu dessen Ernennung im Juni 2009. Seinen Vortrag schmückte der gebürtige Däne dann auch mit eindrucksvollen Bildern dieser naturbelassenen Landschaft. Mit dieser Auszeichnung stehen die jeweiligen Institutionen vor vielen Herausforderungen, um sowohl den touristischen Aspekten als auch dem Naturschutz gerecht zu werden. Dabei sei es wichtig mit allen Partnern entlang der deutsch-niederländischen Küste gut und konstruktiv zusammenzuarbeiten, so Enemark.

Prof. Enno Schmoll von der Jade Hochhochschule Wilhelmshaven ging in seinen Ausführungen auf die Perspektiven eines nachhaltigen Tourismus ein. Den Urlaubern an der Nordsee müsse das Wattenmeer in seiner ganzen Artenvielfalt durch entsprechende Angebote bewusst erlebbar gemacht werden. Eine sinnvolle und erlebnisreiche Gestaltung der touristischen Angebote stehe dabei im Fokus. „Die Nordsee als potentielle Modellregion für nachhaltigen Tourismus“ zu etablieren sei eine Chance, die nicht ungenutzt bleiben dürfe, so Schmoll in seinen Ausführungen.

Oliver Melchert, Geschäftsführer der Nordsee GmbH, referierte über die Möglichkeiten einer touristischen Vermarktung des Wattenmeeres. Er wies insbesondere darauf hin, dass das noch unbekannte Thema „Weltnaturerbe Wattenmeer“ emotional aufgeladen werden müsse, um es zu vermitteln. „Es ist deshalb wichtig, eine Informationsbasis mit allen Wattenmeer-Partner vor Ort aufzubauen“, so Melchert weiter. Er informierte auch über bereits angelaufene Projekte und zukünftige Ziele.

Daran anknüpfend erläuterte Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, die Etablierung eines Qualitätstourismus für das Weltnaturerbe. Dieser gewinne zunehmend an Bedeutung. Im Hinblick auf den Schutz des Wattenmeeres sei die Entwicklung ökologisch sinnvoller Angebote unumgänglich. Die Nationalparkverwaltung habe es sich zur Aufgabe gemacht, dafür entsprechende Kriterien zu erarbeiten. Auch die Bereitstellung spezieller zertifizierter Weltnaturerbeangebote in Zusammenarbeit mit den einzelnen Destinationen hält er für umsetzbar.

Zum Abschluss der Veranstaltung referierte Daniel Amersdorffer vom Institut für Tourismus über die Bedeutung sozialer Netzwerke im Internet. „Eine Internetseite ist als Informationsplattform nach wie vor wichtig, benötigt jedoch zunehmend Begleitmaßnahmen“, so Amersdorffer. Im Speziellen ging er auf das seit 2006 in Deutschland bekannte Twitter (engl. zwitschern) ein. Interaktive Netzwerke dieser Art finden unter touristischen Einrichtungen immer mehr Zuspruch. Auch das Weltnaturerbe Wattenmeer ließe sich thematisieren.

„Wir sind hochzufrieden und begeistert von der Veranstaltung. Auf die informativen und zugleich interessanten Vorträge haben wir von unseren Gästen ein sehr positives Feedback bekommen“, so Ambrosy und Melchert nach der Veranstaltung.

Reprofähiges Bildmaterial finden Sie unter: www.die-nordsee.de/presse

Die Nordsee GmbH:

Mit mehr als 24 Millionen Übernachtungen pro Jahr bietet die niedersächsische Nordseeküste für jeden Geschmack das Richtige und bedient dabei die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Urlaubsgäste vom Heimat- oder Naturtourismus bis hin zu Healthholiday oder Sportreisen. Durchatmen in spürbarer Natur. Die Nordsee GmbH besteht aus einen Zusammenschluss von 22 Urlaubsdestinationen aus den sieben Ostfriesischen Inseln und 15 Küstenorten. Darüber hinaus vertritt die Gesellschaft Fähr- und Fluglinien und einige namhafte Hotels entlang der niedersächsischen Nordseeküste. Der Hauptsitz der Nordsee GmbH ist Schortens in Niedersachsen.

Campingplatz Dornumersiel, LK Aurich Foto: Voß/Wattenrat


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